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Jun 28 2011

IceBluemchen

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04. Von Drachen und kleinen Helden

Vorsichtig spähte eine kleine Gestallt um die Ecke und beobachtete den langen Gang, indem sich ein alt zu lustiges Schauspiel abspielte. Leise kichernd sah Legolas wie seine große Schwester verzweifelt und auch schon recht wütend von Zimmer zu Zimmer huschte und immer wieder rief „Legolas komm freiwillig raus oder es setzt was!“
‚Oh nein, niemals!’, dachte er sich, wollte ihn Arie doch nur wieder mit ihren dicken langweiligen Büchern, Buchstaben und Zahlen quälen.
In sich hineinkichernd flitzte er leise davon, wollte er doch lieber in seinem kleinem Versteck am See spielen. Vor einiger Zeit hatte er mit Hilfe von Jolan sich dort einen kleinen Talan gebaut, wo er gerne seinen Träumen nachhing und gegen unsichtbare Drachen kämpfte oder Zwergen eine Lektion erteilte.

„Ada er ist schon wieder ausgebüchst! Das ist jetzt schon das vierte Mal hintereinander, wo er sich vor mir versteckt, nur damit er nicht lernen braucht.“, beschwerte Arie sich bei Thranduil, ging es ihr allmählich auf die Nerven, das sie ihren kleinen Bruder suchen und anschließend unter größtem Gezeter in die Bibliothek schleifen musste, nur um dann auf eine bockige Mauer aus größtem Desinteresse zu stoßen. „Bitte rede mit ihm und mache ihm klar, das dies so nicht geht! Er ist in einem Alter, wo er langsam anfangen muss lesen, schreiben und rechnen zu lernen…“
Thranduil kannte dieses Trauerspielchen nur zu gut. Seit einiger Zeit versuchte Arie ihrem kleinen Bruder Zahlen und Buchstaben beizubringen, aber bislang mehr mit schlechten bis gar keinem Erfolg. Legolas konnte sich einfach nicht für Bücher erwärmen, zog lieber mit seinem Holzschwert und kleinem Boden durch den Garten oder begleitete seinen großen Bruder auf die Kampfplätze, um dort den Kriegern beim täglichen Training zu zuschauen und sich auch das eine oder andere abzuschauen.
So schwang sein kleiner Sohn bereits recht gekonnt das kleine Schwert und auch am Bogen war er nicht zu verachten. Sicherlich würde er eines Tages ein hervorragender Krieger werden, jedoch auch ein dummer ungebildeter Krieger, gestand sich Thranduil ein.
„Ich werde mit ihm reden und mir etwas einfallen lassen!“, versprach er Arie, hatte jedoch noch so gar keine Idee, wie er den kleinen Prinzen ans Buch bringen sollte.

Am Nachmittag zog es Legolas zurück ins Schloss. Es schüttete aus Eimern und verwandelten den kleinen Teich und den dazu gehörigen Bach in reißende Fluten kaltem Nass. Tunlichst bedacht, Regen und andere Wetterkapriolen zu meiden, hatte er sich doch bei seinem letzten Regenausflug eine ordentliche Erkältung eingefangen, wo er zu sechs Tagen Bettruhe verdonnert wurde, zog er die Wärme des Schlosses vor. Nochmals wollte er nicht noch so eine quälende Woche gähnender Langeweile erleben und spielte nun mit seinem hölzernen Drachen und Elbenhelden vor dem prasselnden Kamin im Arbeitszimmer seines Vaters.
„Nimm dich in Acht schwarzer Drache, ich Legolas aus dem Düsterwald werde dich lehren, unsere Felder zu brandschatzen und unsere Kühe zu reißen.“, sprach der kleine Prinz gebieterisch und schlug mit dem Holzelben auf die Drachenfigur ein. „Haha, ich habe dich besiegt!“, strahlte er stolz und kippte den Drachen auf die Seite und stellte seine Elbenfigur darauf.
Thranduil brachte dies zum schmunzeln. Jolan hatte die Holzfiguren an kalten Winterabenden geschnitzt, besaß Legolas ein ganzes Regal voll diverser Tiere und Holzfiguren. Jedoch der Drache aus dunkler Eiche und die Heldenfigur, die Jolan etwas nach seinem Abbild gefertigt hatte, waren Legolas liebsten. Oft spielte er mit ihnen vor dem Kamin, baute aus seinen Bausteinen kleine Burgen, die dann vom Drachen eingerissen wurden oder der kleine Held bezwang den bösen Drachen und bestrafte ihn für sein frevelhaftes Verhalten.
Dem kleinen Jungen beim Spiel beobachtend, kam ihm plötzlich eine Idee, wie er seinen Jüngsten vielleicht Bücher doch recht schmackhaft machen könnte.

„Arie, ich bringe Legolas heute ins Bett!“, sprach Thranduil nach dem Abendessen zu seiner Tochter, die ihn nun verwundert ansah. Normalerweise überließ er es Arie und Jolan sich Abends um den Kleinen zu kümmern, hatte er in letzter Zeit sehr viel um die Ohren, streiften wieder schwarze Wölfe durch die Lande und rissen ihr Vieh. Als König und oberster Heerführer oblag es in Thranduils Verantwortung, die täglichen Berichte zu studieren und die Jagdtrupps für den nächsten Tag an die richtigen Ort zu dirigieren. Zeit für seine Kinder hatte er dadurch kaum, jedoch heute Abend nahm er sich diese, musste er doch versuchen, ein kleines Problemchen aus der Welt zu schaffen.
„Aber…“, wollte sie zu einer Widersprache ansetzen, jedoch gebot Thranduil ihr sofort Einhalt.
„Ich möchte es, denn ich muss mit ihm ja noch ein ernstes Wörtchen über seinen Unterricht reden.“, begründete er seinen Entschluss und so ließ sie ihn gewähren, hoffte sie sehr, das eine ordentliche Standpauke ihres Vaters bei ihrem kleinen Sturkopf von Bruder schon fruchten würde.
„Jolan, bitte komm in einer Stunde zu mir und berichte mir, das die Grenzwachen eingetroffen sind.“, wand er sich an seinen Ältesten, der ihn nun ebenfalls verwundert ansah.
„Aber die Grenzwache ist doch schon vor einer Stunde eingetroffen und du hast sogar schon ihren Bericht erhalten!“, entgegnete er, verstand er nicht, weshalb er seinem Vater dies noch einmal berichten sollte.
„Widerspreche nicht, sondern mach es einfach!“, bekam er jedoch nur von seinem Vater als Antwort, der sich nun abwand und zu Legolas ging.

„Ich bringe dich heute ins Bett!“, sprach Thranduil zu seinem Jüngsten und reichte ihm sein Nachthemd. Flink zog sich der Kleine aus, wusch sich mehr schlecht als recht den Schmutz des Tages aus dem Gesicht und schlüpfte ins Nachtzeug, wollte er doch keine kostbare Minute verschwenden, hatte er das dicke Buch gesehen, das sein Vater mitgebracht hatte und ihm sicherlich nun eine der vielen wundervollen Drachengeschichten vorlesen würde.
Und genau so kam es. Nachdem Legolas unter seine Bettdecke geschlüpft war, setzte Thranduil sich an sein Bett und begann ihm die erste Geschichte vorzulesen.
„…und der Drache spuckte Feuer. Lichterloh brannte der Wald und trieb die Tiere zur Flucht vor den tödlichen Flammen an. Heldenhaft trat Thalion dem finsteren Ungetüm entgegen, bedacht sein Volk zu schützen vor der bitteren Zerstörungswut des kaltblütigen Monsters…“, las er und musste schmunzeln, wie Legolas freudig „Ja Thalion, besiege den bösen schwarzen Drachen!“, dazwischenrief.
„…hart schlug Thalion mit seinem Schwert zu, aber es glitt einfach an den harten Schuppen des Drachen ab, der sich hämisch über die kläglichen Versucher des Elben lustig machte. „Du hast keine Chance mich zu besiegen, du kleine Made!“, zischte der Drache Thalion an und versetzte ihm einen Hieb mit seinem peitschenartigen Schwanz. Laut schier Thalion auf, fraß sich der schuppige Schwanz tief in sein Fleisch und zwang ihn auf die Knie. Wieder lachte der Drache hämisch, sah er sich seinem Sieg so nahe…“
„Entschuldige Ada das ich dich unterbreche, aber die Grenzwache ist soeben eingetroffen.“, unterbrach Jolan seinen Vater im vorlesen, auch wenn er noch immer nicht ganz begriff, weshalb er dies machen sollte.
„Es tut mir leid Legolas, aber ich muss nun gehen. Wir lesen die Geschichte ein anderes Mal zu Ende.“, sprach Thranduil zu seinem nun entsetzt dreinschauenden Sohn. „Aber das geht doch nicht!“, beschwerte er sich sogleich. „Wie geht denn die Geschichte um Thalion aus?“, fragte er verzweifelt und sah abwechselnd von seinem Vater zu Jolan. „Jolan, kannst du mir die Geschichte noch zu Ende vorlesen?“, fragte er flehend, durfte sie doch jetzt nicht an so einer spannender Stelle unterbrochen werden.
„Tut mir Leid Legolas, aber Jolan muss bei der Besprechung des Grenzberichtes dabei sein!“, antwortete Thranduil. Verwirrt sah Jolan seinen Vater an. „Muss ich?“, fragte er ihn verwundert, erntete jedoch sofort ein energisches „Ja, musst du!“.
„Aber…“, verzweifelt sah Legolas seinem Vater und Bruder nach, wie sie sich nun aufmachten sein Zimmer zu verlassen. „Ich lass das Buch hier liegen. Ein Lesezeichen steckt an der Stelle, wo wir aufgehört haben, damit ich später auch an der rechten Stelle wieder einsetze.“, sprach Thranduil noch und legte das Buch ins Regal neben der großen hölzernen Drachenfigur.
Enttäuscht sah Legolas auf die geschlossene Tür. In seinem Kopf quälten ihn tausende Frage, wie es wohl nun mit Thalion weitergegangen mochte und ob er den bösen Drachen besiegen konnte.
Sich hin und her wälzend, konnte er einfach keine Ruhe finden, zu sehr beschäftige ihn diese mitreißende Geschichte. „Verdammt!“, fluchte er und stand auf. Er würde niemals einschlafen können, wenn er nicht jetzt gleich das Ende erfahren würde.
So holte er sich das Buch aus dem Regal und setzte sich zurück ins Bett. Schnell schlug er die markierte Seite auf und stöhnte innerlich über diese vielen verwirrenden Zeichen auf, die im Zusammenhang Worte, Sätze und eine ganze Geschichte ergaben.
„Tha-li-on ver-su-chte ver-zwei-felt wie-der auf die Bei-ne zu kom-men…“, las er stockend laut und befand es als sehr anstrengend, die Buchstaben zu vernünftigen Silben und Worte zu formen. „…a-ber sei-ne Kra-ft sch-wand ste-tig. Er sch-aff-te es ge-ra-de im let-zten Mo-ment die sch-arfe Klin-ge an-zu-he-ben und sie zwi-sch-en die Sch-up-pen am Ha-ls des Dra-chens zu boh-ren.“
Schwer atmete Legolas aus. Lesen war gar nicht so einfach. Aber die Geschichte dann doch zu fesselnd, als das er aufgeben mochte.

„Seht ihr, er kann, wenn er will! Er braucht nur den rechten Anreiz!“, belehrte Thranduil seine zwei älteren Kinder und schritt frohen Mutes von dannen, während Arie und Jolan noch immer ungläubig an der Tür zum Zimmer von Legolas standen und den gestammelten Leseversuchen ihres kleinen Bruders lauschten.
„Dann werde ich wohl einige Drachenbücher heraussuchen müssen.“, sprach Arie zu Jolan und gemeinsam folgten sie ihrem Vater.
Von nun an fiel es Arie wesendlich leichter, Legolas zum Unterricht zu bewegen. Bereits zum Frühstück stachelte sie ihn mit einer spannenden Geschichte über Drachen, Helden, Abenteuern und fernen weiten Landen an. Brachte ihn sogar zum rechnen, indem er die Helden einer Geschichte zählen sollte und gegenüber den Feinden die Über- oder Unterzahl zu ermitteln.
So machte Legolas der Unterricht spaß und mit der Zeit benötigte er nicht mehr die kleinen Anreize, freute sich so auf neues Wissen. Und auch wenn es Tage gab, wo er lieber draußen in der Sonne im Garten umhertollte, so erkannte Arie, das auch dies sein musste.
Ihr Bruder war noch jung, ein kleines Kind das seinem Spieldrang nachkommen musste und nicht den gesamten Tag hinter Büchern versauern durfte. Sie fanden den passenden Mittelweg, von drei Vormittagen Unterricht und freiwilligen lesen an Schlechtwettertagen.
Und Arie musste zugeben, das die Idee ihres Vaters einfach nur genial war…

…kleine Dachen bezwang man nur mit List und Tücke… oder einem dicken Buch voller heldenhafter Abenteuer!

… to be continues!

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