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Aug 02 2011

IceBluemchen

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05. Sei tapfer kleiner Angsthase (Teil 1)

„Aber Ada du hattest es versprochen!“, rief Legolas seinem Vater nach, der die ewige Diskussion leid war, das sein Jüngster unbedingt mit auf die Jagd wollte. Ja, er hatte versprochen ihn mitzunehmen auf die Jagd in den Düsterwald. Jedoch dachte er hierbei eher an einen ruhigen Ausflug, wo sie auf ein Reh oder Wildschwein jagt machen würden. Doch Legolas wollte sie unbedingt morgen auf die Wolfsjagd begleiten und dies war eindeutig noch nichts für den Kleinen.
Seit Wochen streiften diese schwarzen Bestien durch ihre Lande und rissen ihre Pferde. Grausam und brutal waren diese finsteren Tiere, die ihren Ursprung aus den Tiefen von Angmar zeichneten. Länger dulden konnte König Thranduil dieses Problem nicht. Sie kamen allmählich der Siedlung zu nahe und brachten so sein Volk in gefährliche Bedrängnis.
So war ihm nichts anderes übrig geblieben, als für den morgigen Tag eine Großjagd anzusetzen, um dem Problem Herr zu werden.

„Legolas was sitzt du hier so schmollend?“, fragte Jolan, der seinen kleinen Bruder mit einem Flunsch wie drei Tage Regenwetter im Kaminzimmer vorfand, wo er sich in einen Lehnsessel geknüllt hatte und wütend irgend etwas unverständliches vor sich her brubbelte.
„Ada will mich nicht auf die Jagd nehmen, obwohl er es versprochen hatte, mich diesen Sommer mit zu nehmen!“, antwortete Legolas und deutlich war seine Wut und Unverständnis herauszuhören. Jolan wusste von dem Versprechen, wusste aber auch, das ihr Vater damit keine Wolfjagd gemeint hatte.
So einer Gefahr würde ihr Vater Legolas niemals aussetzen, war die Wolfsjagd lebensgefährlich. Diese Bestien griffen in großen Rudeln an und nie konnte man sich in Sicherheit wiegen, blieben oft Tiere im Verborgenen und griffen aus dem Hinterhalt an, wenn man es am wenigsten erahnte. Auf so eine gefährliche Jagd ein kleines Kind mitzunehmen, das gerade gelernt hatte, seinen kleinen Bogen zu spannen und zielsicher die Pfeile ins starre Ziel zu treiben, war unverantwortlich.
„Legolas Vater wird sein Versprechen schon halten…“, sprach Jolan beruhigend auf ihn ein und sogleich erhellte sich Legolas kleines Gemüt. „Aber nicht auf dieser Jagd. Du weist, das Vater eine Wildjagd gemeint hatte und keine Wolfsjagd!“ Sogleich zog der kleine Blondschopf wieder einen Flunsch. Nun fiel ihm auch noch sein großer Bruder in den Rücken.
Was machte es denn für einen Unterschied, ob er nun auf eine Wildjagd oder einer Wolfsjagd mitgenommen werden würde. Jagd war Jagd und er wollte endlich sein Können unter beweis stellen. So hart hatte er in seinen freien Stunden trainiert. So oft hatte er sich aus Aries Unterricht gestohlen, um seine Fähigkeiten am Bogen zu verbessern und seinen Teil der Abmachung mit seinem Vater nachzukommen.
„Wenn du es bis zur Sommersonnenwende schaffst drei Pfeile hintereinander, auf diese Scheide dort hinten von hier aus, ins Schwarze zu treiben, nehme ich dich auf der nächsten Wildjagd mit!“, dies waren die Worte seines Vaters und nun wollte er sich nicht daran halten, obwohl Legolas sogar vier Pfeile ins Ziel gebracht hatte.
Nun noch wütender sprang er auf und herrschte ohne ein weiteres Wort an Jolan vorbei. Auf seine Hilfe brauchte er nicht mehr zu hoffen und Arie würde er auch nicht um Beistand bitten brauchen. Sie befand ihn generell für die Jagd noch zu klein. Aber denen würde er es zeigen.
Er war doch kein Baby mehr. Nur weil er noch nicht allein auf ein Pferd kam und ohne sich groß ducken zu müssen, unter sie durchlaufen konnte, bedeutete dies noch lange nicht, das er nichts konnte. Er hatte innerhalb eines Restsommers und langen Winters ausgezeichnet lesen und schreiben gelernt. Hatte nur wenige Wochen gebaut, um mit seinem Bogen zielsicher umgehen zu können und hatte Jolan nicht auch gemeint, er mache gute Fortschritte mit dem Kurzschwert. Und nun sollte er daheim bleiben, während sie sich auf der Jagd vergnügten. Nein, er würde es ihnen beweisen, das er schon Groß war und auf die Jagd gehen konnte.

„Ada hast du Legolas gesehen?“, fragte Arie besorgt, hatte sie ihn seit dem Frühstück nicht mehr gesehen, war er nicht zu ihrer Geschichtsstunde gekommen. Eigentlich hatte sie dies nicht verwundern dürfen, stahl er sich in den letzten Wochen gerne davon und übte lieber die Kunst des Bogenschießens. ‚Wenn er nur so viel Energie ins Lernen stecken würde…’, seufzte sie innerlich, half es ihr aber auch nicht weiter, das mittlerweile die Sonne unterging und er wie vom Erdboden verschluckt war.
„Nein, ich habe ihm heute Morgen gesagt, das er nicht mit auf die Jagd darf und da war er schmollend davon gestürmt. Sicherlich hockt er jetzt am Teich und will niemanden sehen.“, entgegnete er und beschäftigte sich weiter mit seinen Papieren, die heute einfach nicht weniger werden wollten.
„Nein, da habe ich ihn schon gesucht. Ich war an jedem mir bekannten Platz, wo er sich gerne herumtreibt, aber nirgends habe ich ihn angetroffen.“, sie war besorgt. Es kam zwar des öfteren vor, das er dem Unterricht fern blieb, aber spätestens zum Sonnenuntergang tauchte er dann wieder auf und tat ganz unschuldig, als habe er nichts verbrochen.
Jedoch die Sonne war nun am untergehen und das Abendessen stand an. „Hast du schon Jolan gefragt? Sicherlich wird Legolas sich bei ihm über meine „Ungerechtigkeit“ beschweren…“
„Wer soll sich bei mir beschweren?“, fragte Jolan und ließ seinen Vater abrupt aufsehen, hatte er ihn nicht hereintreten gehört.
„Legolas hat sich irgendwo schmollend versteckt und ich kann ihn nicht finden! Hast du ihn gesehen?“, berichtete Arie und hoffte inständig, das ihr großer Bruder Licht ins Dunkel bringen konnte.
„Legolas ist verschwunden?“, fragte er erstaunt und geschockt, dachte er sogleich an ihre kleine Unterredung und wie wütend er davon gestürmt war.
„Also weist du auch nicht, wo er ist?“, stellte Arie besorgt fest und überlegte, ob sie nicht vielleicht ein Versteck außer acht gelassen hatte.
„Nein, aber ich habe eine ganz schlimme Vorahnung…“, sprach er und stürmte aus dem Arbeitszimmer, hoffte sich zu irren und betete zu den Valar, das sein kleiner Bruder nicht wirklich so dumm gewesen war.
Verwundert sahen Thranduil und Arie Jolan nach. Was hatte er gemeint? In Sorge eilten sie ihm nach und fanden Jolan in Legolas Zimmer wieder.

„Wir müssen sofort bewaffnete Suchtrupps aussenden!“, sprach Jolan monoton mit dem Rücken zu seinem Vater und Schwester gewand. „Legolas Trainingswams, sein Bogen und sein Übungsschwert sind fort…“ Mit sorgenvollem Blick wand er sich zu ihnen um und hielt das kleine Holzschwert in der Hand, das er Legolas zum letzten Geburtstag geschnitzt hatte und seinem eigenen Schwert nachempfunden war.
„Nein!“, stieß Arie entsetzt aus und blanke Sorge und Angst stieg deutlich sichtbar in ihr auf. Thranduil hingegen blieb ruhig, obgleich er innerlich tobte. Er schloss das selbe wie Jolan aus dem, was sich ihm bot und war wütend, das sein jüngster Spross so unbesonnen handelte und die Tragweite überhaupt nicht zu begreifen schien.
Er zögerte keinen Augenblick und wand sich ab, eilte durch die Korridore und rief seine Heerführer zusammen. Die Suche musste sofort beginnen und er hoffte inständig, das Legolas nicht zu weit in den Wald gelaufen war oder sich vielleicht schon wieder auf dem Rückweg befand.
Die schwarzen Wölfe streiften bevorzugt Nachts in der Nähe der Siedlung umher, dies bereitete ihm die größte Sorge. Wenn sie Legolas Witterung aufnahmen, hatte der Kleine keine Chance.
Schnell waren die Suchtrupps aufgeteilt und bereit. Auch Thranduil, Jolan und die königliche Wache machte sich für die Suche bereit. Jeder Mann war nun gefragt, war der Mond gerade aufgegangen und erstes Wolfsgeheul zerriss die Stille der Nacht. Sie waren nah und Legolas in Lebensgefahr…

Legolas war fest entschlossen es den Erwachsenen zu zeigen, das er kein kleines Baby mehr war und durchaus auf die Jagd gehen konnte. Sie würden sich noch wundern, wenn er mit einem stattlichen Reh… nein Wildschwein… nein Hirsch… ach auch egal, wenn er mit dicker Beute heim kehren würde. Stolz würden sie sein und ihn endlich auch ernst nehmen. Schließlich war er stark und traf bereits vier Pfeile hinter einander ins Schwarze.
Fest entschlossen packte er seine Sachen zusammen und schlich sich aus dem Schloss. Der Weg zum Wald war weit, ritt er ihn sonst immer mit seinem Vater oder großen Bruder. Jetzt müsste er die Strecke zu Fuß überwinden und auch noch im Wald die stattliche Beute auflauern und erlegen.
Kurz dachte er darüber nach, ob er sich nicht vielleicht ein Pferd nehmen sollte, aber auf sie kam er eh nicht allein herauf und geradeaus bekam er sie auch nicht gelenkt. Diese störrischen Biester gehorchten ihm einfach nicht, sah es bei seinem Vater und Bruder so einfach aus. Aber in Wahrheit war wohl irgend ein Zaubertrick dabei, damit ein Pferd gehorchte.
Gegen Mittag hatte er endlich unbemerkt den Siedlungswall erreicht und entschwand in den Wald. Voller Vorfreude dachte er über die vielen Tiere nach, die er jagen könnte. Erst kamen ihm natürlich wieder die großen imposanten Exemplare in den Sinn, aber je länger er darüber nachdachte, je kleiner wurde sein Vertrauen in sich selbst und sein können. Zum Schluss war er der Meinung, das als erste Beute auch ein Wildhuhn ausreichend wäre, gab es von ihnen auch genug in der nahen Umgebung und waren leicht aufzuspüren.
Ganz in Gedanken spurenlesend und seine Beute aufspürend, bemerkte er gar nicht, wie weit er sich schon von der Siedlung entfernt hatte und sich die Sonne langsam dem Horizont näherte. Es wurde Abend und erst als das Licht immer fahler wurde, sah er sich um und bemerkte sein Dilemma. Er hatte sich verirrt und es wurde allmählich dunkel.

Es war für die Suchtrupps nicht schwer Legolas Spur bis zum Siedlungswall zurückzuverfolgen. Immer wieder fanden sie deutliche Fußabdrücke des kleinen Jungen, hatte er das verwischen von Spuren beziehungsweise das Spurenlose schleichen noch nicht erlernt.
So schnell würde Jolan ihm dies auch nicht beibringen, bereute er es bereits, das er überhaupt schon mit dem Training begonnen hatte. Er selbst hatte seine Ausbildung viel später begonnen. Viel viel später sogar, lag es vorwiegend aber auch daran, das er mit Gleichaltrigen aufgewachsen war und in diesem Alter anderes im Kopf hatte, als Bogenschießen oder Schwertkampf.
Im Süden des Waldes seine Kindheit verlebend, in friedlichen Zeiten ohne Bedrohung durch Orks und anderes finsteres Getier, hatte er frei mit seiner kleinen Bande um Elias und Tolan durch den Wald stromern können, kleine Abenteuer erlebt, aber vor allem viel Blödsinn und Schabernack getrieben. Erst als er erwachsen wurde und sein Studien in Geschichte, Diplomatie und Wirtschaft abgeschlossen war, wurde er in die Kriegskunst eingeführt und sein Training in der königlichen Wache begann.
Sein bester Freund Elias hatte zu dieser Zeit bereits ausgelernt und so war er sein Lehrmeister geworden. Zusammen hatten sie vieles erlebt und viele Kämpfe ausgefochten.
Aber bei Legolas war alles anders gewesen. Als einzigstes Kind, hatte er nur seine großen Geschwister zum spielen und oft saß er bei der königlichen Wache und schaute ihnen beim Training zu, amte sie nach oder bat um eine kleine Unterweisung. So hatte Jolan beschlossen, Legolas als seinen Schüler anzunehmen und mit seinem regulären Training zu beginnen.
Ein Fehler, wie er nun meinte. Legolas begriff nicht die Gefahr, war noch nicht reif für die Verantwortung eines Kriegers. Und so stand Jolans Entschluss fest. Er würde das Training minimieren und ihn mehr zum lernen anspornen. Es war wichtig, das er begriff welche Tragweite das kämpfen hatte. Bevor er dies nicht gelernt hatte, würde er sein Training nicht wieder voll aufnehmen.
„Wir teilen uns ab hier auf!“, gab Thranduil die Anweisung und sogleich stoben die Suchtrupps auseinander und verschwanden im Wald.
Nachdenklich und voller Sorge sah Thranduil hinauf zum Mond und hoffte, das sie nicht zu spät kommen würden.

Vollkommen orientierungslos sah Legolas sich um. Er hatte keine Ahnung in welche Richtung er laufen sollte, um wieder zurück zur Siedlung zu kommen. Sicherlich hatte man sein Verschwinden schon bemerkt und machte sich Sorgen um ihn. Eigentlich wollte er auch gar nicht so weit weg vom Wall. Aber er war diversen Spuren gefolgt, dachte über seine mögliche Beute nach und hatte überhaupt nicht auf seinen Weg geachtet. Nun hatte er den Salat und allmählich wurde ihm bewusst, er hatte einen riesigen Fehler begangen.
Seufzend über die Erkenntnis seiner eigenen Dummheit, sah er zum Himmel und versuchte auszumachen, wo die letzten Sonnenstrahlen herrührten. „Jolan hatte mir doch mal was darüber erzählt…“, dachte er laut und überlegte genauer. „Genau, die Sonne geht im Osten unter und das Moos an den Bäumen kommt vom Westwind.“, fiel es ihm ein und die damit verbundene Lektion. „Ich muss also nur darauf achten, das Moos und die Sonne auf der rechten Seite von mir zu haben und ich laufe nach Norden… nach Hause…!“
Sich umsehend, fand er bald Moosbewachsene Bäume und machte sich auf den Weg, wurde es mit der Dunkelheit auch langsam kühler und er hungrig.
Wie lange er schon in der Dunkelheit umher irrte, wusste Legolas nicht, nur das er langsam das Gefühl bekam, in die falsche Richtung zu laufen. Angst und Verzweiflung machte sich in ihm breit und er bereute es immer mehr, ganz allein davongelaufen zu sein. Aber so war es doch immer mit dem weglaufen. Man war allein und erkannte erst die Dummheit, wenn man in Schwierigkeiten geriet.
„Ich hab keine Angst! Ich bin kein Angsthase! Ich bin der tapfere starke Prinz Legolas und ich kann schon vier Pfeile ins Ziel bringen. Ich hab keine Angst und ich weine nicht, ich bin ganz mutig und ich find bald nach Hause.“, redete er immer wieder vor sich her und wollte so seine angsterfüllten Gedanken verjagen.
Wolfsgeheul erklang in der Ferne und ließ ihn zusammenfahren. „Ich hab keine Angst!“, flüsterte er mit Panik in der Stimme und beschleunigte seinen Schritt. „Ich will nach Hause… Ada, ich will nach Hause!“ Erste Tränen brachen seine Stimme, zeichneten sich erste kleine Pfade der Tränenrinnsale auf seinem vom Staub beschmutzten Gesicht ab, wo sie nun den Schmutz davon wuschen.
Lauter wurde das Geheul, schneller sein schritt, panischer sein Herzschlag. Immer größer wurde seine Angst und bald rannte er ungehalten durch das Unterholz und schrie angsterfüllt um Hilfe.

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