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Jun 21 2015

IceBluemchen

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104. Augenblick der Ewigkeit

Es gibt Augenblicke, in denen uns die Ewigkeit erscheint. Im Wimpernschlag des Seins steht für uns die Welt still, obgleich sie sich um das Unendliche schneller dreht. Und eh wir begreifen, was in diesem kurzen Augenblick eines Wimpernschlages geschehen ist, ist es vorbei…

„Papa…“, ein leises gemurmeltes Wort im tiefen kindlichen Schlaf voller Ängste. Unruhe durchzog den kleinen Jungen, beruhigte ihn die Nähe zu seinem Onkel nicht mehr. Auch die ruhige Stimme seiner Mutter konnte die dunklen Träume nicht lindern.
Mit Sorge lag der Blick von Leigh auf Any. Am liebsten hätte sie ihn sofort in den Arm genommen, sanft geweckt und liebevoll beruhigt, dass sicherlich bald alles wieder gut wäre. Doch sie fürchtete, dass der Kleine im Moment von nichts und niemand anderem außer seinem Vater beruhigt werden könnte. Ihr Blick huschte zum kleinen Tisch zwischen den zwei Betten. Seufzend sah sie kurz dem wirren Tanz der kleinen Leuchtkäfer zu. Normalerweise beruhigte sie dies immer und auch Any mochte das leuchtende Glas. Es lag wohl an der Wärme des Lichts. Sanft. Lebendig. Kraftvoll.
Ruffy fühlte sich hilflos! Seine sanften Streicheleinheiten nützten nichts mehr, reagierte Any nicht mehr auf diese. Unruhig wand sich der Kleine und klammerte sich wieder fester in dessen Hemd fest. Wieviel Zeit war seit dem Aufbruch der Rettungstruppe vergangen? Es kam Ruffy wie Tage vor. Die letzte Reaktion der Vivrecard war auch schon eine Weile her. Oder zumindest kam ihm dies so vor, hatte er jegliches Zeitgefühl verloren.
Seufzend verlagerte sich Ruffy in seinem Bett, schlang seinen freien Arm um Any und schloss seine Augen. Er war nicht müde, aber das Warten und die Ungewissheit zerrten auch an ihm. Er konnte Anys Unruhe nur zu gut verstehen, denn es ging ihm nicht besser, auch wenn er diese soweit verbarg. Er wollte seinen kleinen Neffen nicht zusätzlich aufregen.
Jedoch nur einen Augenblick später öffnete er wieder seine Augen und fixierte erneut den kleinen Schnipsel Papier in seiner Hand. So sehr ihn die Situation und das Warten auch anspannte, konnte er sich nicht davon lösen. So wie Any, würde auch er erst wieder zur Ruhe kommen können, wenn er endlich wüsste, wie es um Ace stand und das er in Sicherheit war.
„So ein Glas habe ich auch.“, murmelte Ruffy in Gedanken. „Nami hat es auf ihrem Schreibtisch zu stehen.“

Schnell schoss die Thousand Sunny auf den kleinen Striker zu, schob sie eine gewaltige Bugwelle vor sich her. Rasend überschlugen sich Marcos Gedanken, wie er dieser Gewalt noch entkommen könnte. Doch es war, als versuche er dem Donner eines vorangegangenen Blitzes entkommen zu wollen. Es gab kein Entkommen mehr!
Er spürte, wie das kleine Boot sich dem Wellengang anglich und der Sog sie auf den Gipfel der Welle zog. Dies war alles noch kein Problem! Noch hielt sich der Striker ruhig.
Es waren die sich überschlagenden Wellen im Kielwasser, welches Marco den Schweiß auf die Stirn trieb und er wusste, dass diese der kleine Striker niemals standhalten würde. Schäumend ineinander krachend überschlugen sich die Wellen und donnerten gegen die Sunny. Gischt peitschte und brannte in Marcos Augen. Unkontrolliert, so erschien es zumindest auf ihn, wurde das kleine Boot mit seinen hilflosen Passagieren backbord gesogen und tauchte in die erste Welle ein. Kälte nahm sie ein, sowie ein Gefühl von Taubheit. Aller Kraft beraubt, hielt Marco dennoch den schlaffen Körper von Ace an sich gepresst, während sie aus dem kleinen Boot gerissen wurden. Es war genau das geschehen, was er befürchtet hatte. Der Striker hatte den Gewalten des Wellengangs nichts entgegenzusetzen. Was hatten sich die Strohhutpiraten nur bei ihrer verrückten Aktion gedacht?

Der Tod ist die Finsternis.
Kalt greift die Klaue voller Bosheit nach dem Leben auf der Weite der eisigen See.
Doch die Finsternis ist nicht der Tod.
Dieser Macht obliegt ihr nicht.

Hustend versuchte Marco das geschluckte Wasser aus seiner Lunge zu bekommen. Viel zu viel hatte er von dem salzigen kalten Nass geschluckt. Blaues kaltes Feuer umloderte ihn und dennoch wärmte es ihn auf. „Ace?“, brachte er nur brüchig hervor. Versuchte sein noch benebelter ertränkter Geist zu erfassen, was er nur wenige Schritt neben sich sah.
Bleich lag der junge Kapitän am Rande des Beckens im Bauch der Sunny. Kraftvoll stemmte sich der hünenhafte Elchmensch auf dessen Brust und zählte dabei jeden Stoß. Als er zum fünften Mal dessen Brust fast zum brechen gebracht hatte, beugte sich eine schwarzhaarige Frau über ihn und presste einen Atemzug Luft in dessen Lungen.
Wieder und wieder wiederholte sich dieses Schauspiel, stemmte Marco sich mit der Hilfe eines grünhaarigen Mannes hoch. Noch immer brannte seine Lunge und jeder Atemzug stach wie tausende Nadeln, tanzten kleine Leuchtkäfer vor seinen Augen und ein hämmernder Kopfschmerz zeigte ihm, dass er sich wohl den Kopf angeschlagen hatte. Doch es war irrelevant. Er ertrug es im Wissen, das sein lebensspendender Patron ihm diese Qual bald abnehmen würde. „Das leuchtende Glas…“, presste er eindringlich hervor. „Hat Ruffy noch das leuchtende Glas?“
Zorro sah Marco fragend an. „Was? Klar hat Ruffy das noch! Er hat es auf Nami’s Schreibtisch stehen, damit sie jederzeit das Logbuch schreiben kann. Bloß was soll das jetzt?“
„Hol es… es wird helfen!“, wieder musste Marco husten. Es war ein trockener Husten, seine Lunge durch das Meerwasser stark gereizt.
„Na gut!“, sprang Zorro auf und eilte aus dem Dock.
„Ace mach nicht schlapp!“, lehnte Marco sich gegen den Halt der Leiter, welche ins Becken führt. Er konnte nichts weiter tun, außer zu hoffen, das es noch nicht zu spät war.

„Wir haben sie!“, hörten alle an Bord der Sunny die erlösenden Worte aus dem Sprechgerät, welches mit dem Dock der Sunny verbunden war. Eine Welle der Erleichterung ging durch die Reihen der Whitebeard-Piraten. Sie hatten an dem verrückten Plan der Strohhüte gezweifelt, aber sie hatten keine andere Wahl besessen, als diesen zuzustimmen und das Leben ihres Kapitäns und ersten Maaten in ihre Hände zu legen. Sie hatten getan, was getan werden musste. Hatten gehofft. Hatten gebangt. Jetzt war das Gröbste überstanden und sie mussten sich nur noch in Sicherheit bringen.
Krachend explodierten die Bomben des Scharfschützen. Wolken aus weißem Rauch hatten sich wie ein Nebel zwischen der Sunny und der schwarzen Wolke Blackbeards aufgebaut. Es war wie ein schützender Wall, raubte der Nebel die klare Sicht auf sie. Die Ablenkung hatte funktioniert… oder auch nicht…
Schwarz verfärbte sich der dichte Nebel aus den Granaten und es wirkte, als forme sich ein wütendes Gesicht aus den Schwaden, begleitet von einem tiefen Grollen.
Die Freude über das geglückte Manöver verblasste sofort, wurden sogleich alle Ernst und machten sich Kampfbereit. Doch wie sollten sie gegen so einen Gegner bestehen? Wie bekämpfte man eine wütende Wolke?
Das Grollen wurde lauter, kam das wütende nebulöse Gesicht näher. Eine riesige Hand formte sich aus dem hinteren Teil der Wolke. Bedrohlich griff es nach der Sunny und jeder an Deck ahnte, dass die alles entscheidende Schlacht nun gekommen war.

Kurz haderte Zorro mit sich selbst. Er war ein Kämpfer und vor ihm baute sich gerade die Chance seines Lebens auf, den absoluten Überfeind zu bekämpfen. Aber er war keinesfalls ein Botenjunge. Was sollte das nur mit diesem merkwürdigen Glas, in welchen ein gutes Dutzend merkwürdige Glühwürmchen umherschwebten. Wie sollte das helfen?
„Scheiße!“, knurrte er. Glas oder Kämpfen? „Scheiße!“ Es würde keine Minute dauern, dieses dämliche Glas abzuliefern. Und dann würde er es diesem Blackbeard zeigen, das er mit seinen Schwertern durchaus in der Lage war, Wolken zu filetieren.
Schnell hastete er zurück zum Dock, wo sich nichts verändert hatte. Noch immer versuche Chopper Ace jede Rippe im Leib zu brechen. „Hier das Glas!“, warf er Marco das Ding zu und machte sogleich auf dem Absatz kehrt. „Blackbeard greift uns an!“ ließ er dabei noch verlauten.

„Na toll!“, brummte Marco und drehte das Glas auf. „Als wäre diese verrückte Absaufnummer nicht schon genug.“ Wie er es von Ace seinen kleinen Leuchtkäfern kannte, zog sein blaues Feuer sie an wie ein Magnet. Kaum hatten sie seine Hand gestreift, färbten sie sich auch schon gleißend blau. „Warum kommt mir das nur so verdammt bekannt vor!“
„Weg!“, rief er zu Chopper und Robin, gab er die blauen Leuchtkäfer frei. „Sie werden ihn zurückholen!“… Hoffentlich!

Geschockt sah Ruffy auf die glimmende Asche in seiner Hand. Erstarrt war sein Blick und ruhte auf das, was nicht mehr war. Ohne ein letztes Züngeln war der kleine Rest der Vivrecart einfach zerbröselt und zu einem kleinen Häufleich Asche zerfallen.
Leises Schluchzen nahm die Totenstille ein. Tröstendes Gemurmel. Fassungslosigkeit.
„Papa?“, eine Frage welche Ruffy das Herz zerriss. Schnell schloss er die Hand um die Asche, sollte Any diese nicht sehen. Doch der Kleine schlief noch. Hatte nur im unruhigen Schlaf wieder vor sich her gemurmelt.
Ruffy musste schwer schlucken. Sein Blick ruhte auf seine geschlossene Faust, konnte er dort schmerzlich die glimmende Asche spüren, wie sie sich in seine Hand brannte. Ein Schmerz den er festhalten wollte. Bedeutete der Schmerz der glimmenden Asche doch, dass dort noch ein Hauch von Leben war. Oder irrte er?

Blaues kaltes Feuer tänzelte um Ace herum und warf die Szene in ein unheimliches Licht. Es flackerte und säuselte um ihn herum, durchdrang ihn und liebkoste sein lebloses Sein. Zärtlich streichelte es seine kalte nasse Haut und gab ihr ihren rosigen warmen Teint zurück. Es durchfuhr sein Herz und riss ihn zurück ins Leben. Sein Körper bäumte sich gegen die Kraft des Lebens auf und ließ ihn vor Schmerz aufschreien. Kalte Flammen züngelten über seine Haut, brannten in seinen Wunden und ließen sie heilen. Unbändige Schmerzen durchströmten ihn und ließen ihn sich winden und schreien. Ein letztes Mal zehrte die Klaue des Todes an ihm und wollte ihn in die ewige kalte Finsternis zurückziehen. Doch er ließ es nicht zu. Er wollte Leben und er kämpfte dafür. Any brauchte ihn doch. Ein allerletztes Mal durchführ ihn das blaue kalte Feuer und verdrängte die letzten Reste der Kälte.
Schlaf und kraftlos sank Ace in sich zusammen. „Aua!“ Jammerte er und versuchte, sich nicht zu rühren, nicht die Augen zu öffnen. Sein gesamter Körper brannte und pochte. Seine Schulter und sein Handgelenk waren ein reines Flammenmeer aus Schmerzen. Jeder Atemzug war die reinste Qual und jeder Herzschlag eine Folter seines eigenen Körpers. Er wimmerte vor Schmerz und Tränen bahnten sich ungehindert ihren Weg. „Warum muss das immer so verdammt wehtun?“
„Warum müssen wir diesen Scheiß immer wieder durchziehen?“, konterte Marco bissig, auch wenn seine Stimme weit weniger bissig klang. „Du hattest verdammt großes Glück und du schuldest deinem Bruder ein neues Leuchtkäferglas.“
„War keine Absicht!“, murmelte Ace und ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen. „Aber mit Glück hatte dies nichts zu tun.“
„Was?“, ungläubig sah Marco seinen noch immer am Boden liegenden Kapitän an, hatte Ace nun wenigsten die Augen geöffnet und blinzelte benommen. „Soll das ein Scherz sein oder war dieser Mist von dir einkalkuliert?“
„Nein, aber ich wusste, dass ich heute noch nicht drauf gehen würde. Ich hatte es doch versprochen… weist du doch!“
„Naja, loben wir den Tag nicht vor dem Abend.“, Marco seufzte und sah besorgt zur Tür, welche an Deck führte. Dumpfes Geschrei eines Kampfes drang bis ins Dock und ab und an erschütterte das Donnern von Kanonenschlägen das Schiff.
„Was meinst du damit?“, fragte Ace, während er sich mit der Hilfe von Chopper aufsetzte und sich bereitwillig von dem Schiffsarzt untersuchen ließ. Er konnte bereits das aufsteigende Fieber spüren, würde es ihn bald in die Tiefe des Fiederschlafs ziehen.
„Ich meine damit, dass wir in diesem Moment von Blackbeard angegriffen werden!“, sprach Marco und richtete sich auf. Ace Miene war geschockt und in seinen Augen loderte ein kämpferisches Feuer auf. Jedoch so sehr Ace es auch wollte, so sehr er sich in den Kampf gegen Blackbeard werfen wollt, versagte ihm dies sein Körper. Kaum waren Marcos Worte ausgesprochen, durchfuhr Ace geschwächter Körper ein Schüttelfrost gefolgt von einem Fieberkrampf.
„Verdammt!“, presste er noch heraus. Wie eine Dampfwalze überrollte das Fieber ihn und setzte ihn wieder Außergefecht.
„Schon gut Ace! Wir bekommen das hin. Ruh du dich aus und lass uns anderen den Spaß.“, Sorge lag in Marcos Stimme. Er kannte das Fieber, sollte daran gewöhnt sein. Doch Ace geschwächt und krank zu sehen, daran würde er sich wohl nie gewöhnen und er würde sich immer wieder Sorgen um seinen kleinen Bruder machen. Als großer Bruder war es doch seine Aufgabe sich zu sorgen.
Und während Chopper seinen Patienten ins Krankenzimmer brachte, begab Marco sich an Deck. Es gab einen Verräter ein für alle Mal den gar aus zu machen.

„Ahh… autsch…“, quietsche Ruffy vor Schreck und Schmerz, als eine Flamme aus seiner Hand stob, in welcher er die Asche der zerbröselten Vivrecard fest umschlossen hielt. Unweigerlich öffnete er sie und sogleich flatterte die Flamme sacht in die Luft. Fasziniert sah Ruffy auf die Flamme, hörte auch Leigh auf zu weinen und sahen alle Anwesende nun auf das lebendige Feuer und das kleine Stück Papier, welches stetig an Größe gewann.
„Papa!“

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