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Jul 29 2016

IceBluemchen

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105. Sieg oder Niederlage, das ist hier die Frage!

Nachdenklich saß Marco auf dem gewaltigen Löwenkopf, welcher die Galionsfigur der Thousand Sunny darstellte. Sein Blick schweifte in die Ferne und erfasste doch kein Ziel, obgleich dort draußen bald das ersehnte Ziel in Sicht kommen müsste. Wie lang saß er schon hier? Minuten… Stunden… Tage… nein, noch keinen Tag, jedoch kam es ihm wie die gefühlte Ewigkeit vor.
Mit seinen Gedanken war er in der nahen Vergangenheit, welche doch so fern und unerreichbar schien. War dies wirklich alles geschehen? Hatten sie wirklich überlebt? Oder saß er hier allein in der Stille eines Geisterschiffes? Verdammt als Phönix all und jeden den er liebte zu überleben, obgleich er für sie tausend Tode starb?
Es war so still! So unfassbar totenstill!

Schreie drangen an Marcos Ohr, als er die Tür zum Deck erreicht hatte. Der Anblick welcher sich ihm bot, als er durch die Tür geeilt war, war erschreckend und grausam.
Schwarze Schwaden einer Klaue gleich senkten sich auf das Deck nieder. Angriffsbereit standen seine Kameraden da, sahen dem Feind standhaft entgegen. Doch wie bekämpfte man die Dunkelheit? Wie bekämpfte man einen Feind, welcher einen mit einer bloßen Berührung lähmen gar verschlingen konnte?
Tapfer stellten sich die Whitebeard-Piraten dieser Ungewissheit. Sie wussten, Marco hatte sie nicht ohne Grund auserwählt. Sie die Elite der Whitebeard-Piratenbande. Sie die Haki-Kämpfer, höchstpersönlich noch von Whitebeard unterrichtet. Hatten nur sie noch eine Chance irgendetwas gegen diese schwarze Boshaftigkeit auszurichten?
Schwerter surrten durch die Luft, war diese zum Schneiden erdrückend. Eine geballte Kraft lag in der Luft, die spürbare Auswirkung des Haki vieler Männer. Gebündelt stark zu einem Ganzen und doch zu schwach für die dunkle Gewalt.
Erstickende Schreie hallten über die salzige See und verstummten in der Dunkelheit. Eine Handvoll Männer hatte es nur mit einem Streich erwischt und ließ den ersten Angriff im Licht einer Niederlage dastehen.
„Gleich noch einmal! Und konzentriert euch gefälligst!“ hallte ein barscher Befehl übers Deck. Sofort fixierte Marco den Grünhaarigen, welcher noch vor wenigen Minuten bei Ace und seiner Rettung geholfen hatte. Ein Kämpfer mit drei Schwertern, Lorenor Zorro. Marcos erster Gedanke war, ob dieser irre Schwertkämpfer verrückt sei! Wie konnte er in dieser offensichtlichen aussichtslosen Situation zu einem weiteren Angriff ansetzen? Doch eh er den neuerlichen Angriff unterbinden konnte, sah er den Grund, weshalb alles doch einen Sinn ergab.
Nach wie vor lag die Schwere des Haki in der Luft. Trotz der Verluste hatte sie nicht an Intensität verloren. Bereit richteten sich die Schwerter auf die Dunkelheit und wieder war ein schneidendes Surren zu vernehmen, als die Schwerter durch die schwarzen Wogen sausten. Es erschien so sinnlos und doch war der Erfolg nur einen Moment später doch sichtbar. Aus Schwarzen Wolken wurde roter Nebel… Blutnebel! Das Blut klatschte auf die Planken des Schiffes und färbte die Kleidung der Männer rot. Doch niemanden störte dies im Moment. Ging der zweite Angriff nun nahtlos in den Dritten über.

Seufzend schloss Marco seine Augen. Noch immer klebten die Überreste des Blutnebels auf den Planken, färbte das sonst grüne Gras in ein abscheuliches Rot einer unfairen Schlacht. Auch wenn sie der Dunkelheit von Blackbeard hatten etwas entgegen setzen können, so war dies doch nur der Tropfen auf dem heißen Stein gewesen. Waren die vielen Toten dies Wert gewesen? Hatten diese Opfer sein müssen?

„Achtet darauf, dass die Segel nicht beschädigt werden!“ halte eine weibliche Stimme über Deck. Sie kam von der Brücke und war an die Schwertkämpfer gerichtet. Lenkst hatte Marco sich zu diesen gesellt und selbst so manchen kraftvollen Hieb gegen Blackbeard ausgeteilt. Lenkst war ihm die Strategie hinter diesen Angriffen klar. Es war nur ein Ablenkungsmanöver für das eigentlich wesentliche… ihre Flucht!

Wenn Marco an seine ersten Begegnungen mit der Strohhutpiratenbande zurück dachte, hatte er sie so falsch eingeschätzt. Sie waren ihm wie ein chaotischer Haufen von Möchtegernpiraten  vorgekommen. Unstrukturiert und unorganisiert. Ruffy als Kopf der Chaospiraten, hatte Marco oft diesen Titel für die Strohhüte verwand. Wie oft hatte Ace dies zum Lachen gebracht! Hatte Ace aber auch eine ganz eigene Sicht auf die kleine Bande um seinen kleinen Bruder: „Ein Chaot kann nun einmal nur eine Chaosbande führen. Das macht ihn als Kapitän aus und dies macht seine Bande so erfolgreich! Sie sind im Chaos unberechenbar genial!“ Wie Recht Ace damit doch hatte.
Der gesamte Plan der Strohhüte war so unberechenbar gewesen und so untypisch für eine Piratenbande. Nie hatte im Vordergrund die Vernichtung von Blackbeard gestanden. Von Anfang an hatten sie dies als eine Rettungsmission angesehen, auch wenn sie nie die Möglichkeit außer Acht gelassen hatten, dass wenn sich die eine gute Chance biete, sie dem Ganzen ein für alle Mal ein Ende setzen würden.

Tiefes Grollen lag in der Luft, übertönte die Schreie der Kämpfer, übertönte die Befehle der Navigatorin. Kanonenschläge mischten sich dazu, obgleich nicht eine Kanone abgefeuert worden war. Gezielt hatte Lysop eine seiner Bomben auf die Insel abgefeuert und legte nun nach.
„Kannst du mit dem nächsten Schuss direkt den Vulkan treffen?“ fragte Sanji.
„Zweifelst du etwa meine Fähigkeiten an?“ keifte Lysop den Blondschopf an und legte eine weitere seiner speziellen Pflanzenbomben auf. „Als wäre das eine Herausforderung!“ Und er entließ sein Geschoss gen Insel.

Noch immer hatte Marco das Grollen des Vulkans in den Ohren. Wie weit waren sie schon entfernt? Doch noch immer war er aus der Ferne zu hören. Wie lange würde der Vulkan noch nur vor sich her rumoren? Wann war er an dem Punkt angekommen, das es die Insel zerreißen würde? Und würde dies überhaupt ausreichen, um sich dem zu entledigen, was sie dort im Zorn hatten zurückgelassen. Was wenn Blackbeard in seiner boshaften Genialität doch noch einen Ausweg finden würde?

„Es reicht nicht aus! Irgendwie hält uns dieser Bastard fest!“
Die Segel waren gebläht und standen im idealen Wind. Doch die Sunny kam nur schleppend voran, als wären sie auf einen gegenwärtigen Strom geraten, welcher sie direkt zurück zur Insel führte.
„Wir tun ja schon unser Bestes!“ gab Zorro gereizt zurück. Ihm selbst gefiel es ganz und gar nicht, das sie trotz all ihrer Anstrengungen und Opfer nur so wenig auszurichten schienen.
„Aber es reicht nicht aus!“ war Marcos nüchterne Erkenntnis. Egal wie sehr sie Blackbeard hier auf dem Schiff auch zusetzten, es war doch einfach nicht genug. „Doch ich werde dafür sorgen, das ihr Ace sicher nach Hause bringen könnt!“ Blaue Flammen umloderten ihn, eh sein Körper sich in die majestätische Gestalt des Phönix wandelte und mit einem kraftvollen melodischen Schrei abhob.
Wenn Blackbeard in seiner Boshaftigkeit eine Schwäche besaß, so war dies sein unbändiger Hass auf Marco. Er hatte nie die Niederlage auf der Fischmenscheninsel vergessen können. Schon davor war der dunkle Pirat nicht gut auf den Feuervogel zu sprechen gewesen, aber nach diesem Ereignis war es mehr als offensichtlich geworden.
„Komm schon du Drecksack!“, dachte Marco und flog direkt auf eine der dunklen Wolken zu, nur um kurz davor abzudrehen. In einer eleganten Kurve umkreiste er einen Ausläufer einer anderen Wolke und erkundete die Struktur des wabernden Gebildes. „Schon erstaunlich, zu was du fähig bist, wenn du dich einmal anstrengst.“, war die nüchterne Erkenntnis des Phönix.
Marco konnte nur hoffen, das er mit seiner Theorie richtig lag, welche er über die letzten Jahre hatte aufgestellt. Oft hatte er abends allein im Arbeitszimmer gesessen und über seine Notizen gebrütet. Beobachtungen, Verhaltensweisen, Entscheidungen… er hatte versucht Blackbeard zu analysieren, versucht seine Schwächen herauszufinden und wie er sich am ehesten ködern und überlisten ließ. Jedoch ob er mit seinen aufgestellten Thesen überhaupt richtig lag, wusste er nicht und konnte es nur hoffen.
„Komm schon! Du hasst mich mehr als Ace… lass ihn in Ruhe und jage mich! Hole mich! Verdammt… komm schon du mieses Arsch eines Verräters!“, Marcos Gedanken waren voller Abscheu. Schimpfend jagte er um die dunklen Wolken herum, reizte es aus, ihnen so nah wie möglich zu kommen, ohne jedoch in Gefahr zu geraten, von ihnen berührt oder gar verschlungen zu werden. Er hoffte, das Blackbeard darauf anspringen würde und sich eine der Theorien bewies, welche den Strohhüten die nötige Chance zur Flucht ließ.
Jedoch mit einem hatte er in jenem Moment nicht gerechnet… des Phönixes Tod!

Trümmer des Dorfes und Felsbrocken der Insel stürzten auf Marco nieder. Wie Pistolenkugeln durchjagten kleinste Splitter seinen Körper, zerfetzten seine Flügel und gaben den blauen heilenden Feuer kaum eine Chance. Ein Schrei voller Schmerz zerriss das Rauschen des Meeres und ließ die Kampfschreie der Schwertkämpfer verstummen.
Die Sunny war frei! Mit einem Ruck löste sie sich aus dem Griff der Dunkelheit. Die schwarzen Wolken zogen sich zurück und konzentrierten sich um den fallenden blauen Vogel. Sie umhüllten ihn, wollten ihn verschlingen. Doch solang in des majestätischen Vogel noch ein Funke Leben loderte, währte er sich gegen die todbringende Finsternis, aus welcher es definitiv kein Zurück mehr geben würde.

„Ich hasse es, wenn der Phönix in mir stirbt! Denn es ist der Moment meiner größten Angst… Das es das Ende ist!
Es ist der Moment in dem mir die Kontrolle über alles entrinnt und ich auf ein Schicksal vertrauen muss, über welches ich keine Macht habe.
Wie oft bin ich gegangen? Kontrolliert und berechnet, mit dem klaren Wissen, das ich all meine Freunde… meine Familie wiedersehen werde. Mit diesem Wissen, was mich erwarten wird, wenn der Phönix in mir zum neuen Leben erwacht und ich wiederkehre, war es leicht zu gehen.
Doch zu gehen, ohne jede Vorwarnung, ohne jede Sicherheit, ohne klare Gewissheit… was wird nur geschehen? Es zerreist mich mehr, als der Gedanke des Todes selbst.
Was hinterlasse ich? War mein Leben erfüllt? Bin ich meiner auferlegten Verantwortung gerecht geworden? War ich als Hüter der Familie ein guter Sohn und ein sorgender großer Bruder? Oder hinterlasse ich eine Leere, welche nie mehr gefüllt werden kann?“

Seufzend schloss Marco seine Augen und atmete einmal tief durch. Er war so müde. Fühlte sich so erschöpft. Ace hatte einmal zu ihm gesagt „Der Tod tut verdammt weh!“, jedoch umschrieben diese Worte nicht annähernd das, was ein Phönix erlitt, wenn er ging!
„Leben ist so leicht… Sterben so verdammt schwer… Überleben die Kunst! Ja, der Tod tut wirklich verdammt weh. Aber das Leben entschädigt uns für diesen erbrachten Schmerz um ein vielfaches!“
„Phönix Marco?“, trat Robin an ihn heran. Ihr Blick war voller Sorge. „Können wir dir wirklich nicht helfen?“
„Nein! Ich sagte es doch… es ist normal! Der Phönix in mir fordert nach vollbrachter Tat seinen Tribut. Und sobald wir die Oro Jackson erreicht haben, werde ich seinem Verlangen nach Ruhe nachgeben.“ Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Ja, es war normal, das er nach einer Wiedergeburt immer eine längere Ruhephase benötigte und meist unmittelbar nach dieser in einen tiefen Schlaf fiel. So fühlte sich die bleierne Müdigkeit so wunderbar normal an. Doch das er lebte und dies spüren durfte, war so untypisch gewesen. Er war es doch, welcher immer alle rettete und die das drohende Unheil abwehrte. Doch dieses Mal… „Danke! Ohne dich wäre ich ertrunken ohne jegliche Chance auf Rettung!“.
„Nichts zu danken! Denn ohne deinen Einsatz wäre uns die Flucht wohl nicht gelungen.“ Robin winkte ab. Marco hatte sein Leben wahrhaftig riskiert. Ihn im Fall aufzufangen und an Bord zurück zu holen, war eine reine Ehrensache.
„Aber du hast dich verbrannt!“ Seufzend schloss er kurz seine Augen. Er war so müde, doch noch durfte er nicht schlafen, verbat es sich selbst. Erst wenn Ace sicher auf der Oro Jackson im Krankenbett liegen, umsorgt von Doc und Leigh, sowie sichergestellt das Any um das Wohl seines Vater wusste, würde er sich den erholsamen Schlaf gönnen.
„Sie werden heilen. Die Verbrennungen sind nur oberflächlich. Und egal was du auch erwidern magst oder egal wie oft du dich deswegen auch bei mir entschuldigen willst… ich würde es jeder Zeit wieder machen. Das Risiko verletzt zu werden oder gar zu sterben, gehört zum Leben eines Piraten dazu. Würde ich dieses Risiko nicht tragen wollen, wäre ich nicht hier.“ Mit einem Lächeln auf den Lippen wand sich Robin ab und lies ihn allein. Mehrmals hatte er sich bereits entschuldigt und Wiedergutmachung angeboten. Er war es so gar nicht gewohnt sich bei jemanden für seine Rettung bedanken zu müssen. Jemanden der sich seinetwegen bewusst verletzt hatte. Sie war ein hohes Risiko eingegangen. Und doch… er konnte ihr einfach nur wieder und wieder danken und wusste, dies war nicht sein letzter Dank und Entschuldigung.
Marco seufzte abermals und gähnte müde auf. Das Ablenkungsmanöver hatte gefruchtet. Er hatte es geschafft, die Konzentration von Blackbeart soweit zu stören, das die Sunny sich soweit aus dem dunklen Sog hatte befreien können, das sie unter vollem Segel den Weg in Sicherheit antreten konnten.
Die gesamte Mission stellte sich zu guter Letzt als ein reines Ablenkungsmanöver und taktischen Rückzug heraus. Ace war in Sicherheit und würde leben. Sie alle waren in Sicherheit und alles was sie hinterließen war das Grollen des Vulkanes, welcher in seiner Gereiztheit noch nicht entschieden hatte, ob er in einem tosenden Knall alles mit sich nehmen wolle oder er in eine grollende Zukunft sah… brodelnd zornig, bis die Zeit seine Wut sich so tief in ihn fressen ließ, das die innere Spannung ihn verzerren und schweigend mit in die Tiefe der kalten See nahm.
Etwas würde geschehen! Nur was und wann?
„Wir erreichen die Oro Jackson in einer Stunde.“
„Das ist gut!“, murmelte Marco… lang würde er nicht mehr gegen seine Müdigkeit ankämpfen können. Noch nie hatte er die ersehnte Ruhe des Phönixes so lang herausgezögert. Und er war sich in diesem Punkt auch bereits sicher, dass er dies auch niemals wieder tun würde. „Selbst Tode sind wacher als ich…!“

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