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Dez 02 2013

IceBluemchen

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101. Der kleine Rettungsanker

Kälte und Finsternis, dies war es, was Ace verspürte. Kaltes Wasser was ihn umgab und drohte in die finstere Tiefe zu ziehen. Nur das Seil gewunden um sein rechtes Handgelenk hielt ihn soweit über der Wasseroberfläche, das er nicht ertrinken würde. Zumindest nicht so schnell, schlugen ihm immer wieder höhere Wellen ins Gesicht und ließen ihn das salzige Nass schmecken.
„Ich habe es verbockt!“, schoss es ihm durch den Kopf, das einfach nichts nach Plan verlaufen war.
Warum aber auch Pläne schmieden, wenn sie am Ende doch nie aufgingen!
Warum vorausdenken, wenn das Schicksal die Geschichte des Lebens dann doch ganz anders schrieb!
Die Geschichte des Lebens ließ sich nicht planen. Sie war nicht fix in Stein gemeißelt und folgte auch nicht irgendwelchen festen Regeln. Die eigene Geschichte des Lebens war nur ein Konstrukt aus vielen Lebensgeschichten, unentwirrbar miteinander verwoben und verschlungen. Lediglich wohl bedachte eigene Entscheidungen und besonnenes Handeln, konnte den Lauf des Schicksals wenigsten etwas beeinflussen, aber meist lief es doch ganz anders und es blieb einem nichts anderes übrig, als auf die dargebotene Situation zu reagieren. Ob dann jedoch alles immer wohlwollend und gut ablief… nicht wirklich, wenn Ace sich an die vielen Male zurückerinnerte, wo ihm nach seinem Leben getrachtet wurde oder es einen anderen geliebten Menschen traf. Manchmal hatte er das böse Gefühl, als verfolge ihn der Tod und wartete nur auf die Gelegenheit, ihn endlich zu sich zu holen. Den Tod betrügt niemand! Früher oder später bekam er immer, wenn er wollte…
„Und dabei habe ich doch versprochen zurückzukehren!“, er hatte es versprochen… nicht seiner Crew, Kommandanten oder Vize! Er hatte es dem kleinen Lichtblick in seinem Leben versprochen, welcher ihm seit einer gefühlten Ewigkeit aufwies, das er in seinem Leben auch schon das ein oder andere richtig gemacht hatte.
„Any!“, ein Gedanke der ihn hielt und Kraft gab. Für seinen kleinen Sohn ertrug Ace den Kampf gegen das kalte finstere Element, welches nach seinem Leben trachtete und ihn in seiner Kraftlosigkeit nur alt zu deutlich spüren ließ, dass er den Kampf nicht allein gewinnen konnte!

Suchend wanderte Marcos Blick über die weite See, hatte er aber auch immer ein wachsames Auge auf die dunkle Wolke, welche langsam vom Wind getragen hinaus aufs Meer waberte. Nach wie vor hatte Marco dabei ein sehr ungutes Gefühl, das diese Wolke nicht natürlichem Ursprungs war. Eher wirkte sie wie eine gefährliche Klaue der Finsternis, welche langsam aber unaufhaltsam nach etwas zu greifen versuchte.
Außerdem sagte Marcos Instinkt ihm, dieser Wolke besser nicht zu nahe zu kommen. Ob nur eine mysteriöse bedrohliche Vulkanwolke oder doch eine Ausgeburt Blackbeards… so oder so wäre der Kontakt sicherlich nicht sehr gesund.
Wieder wanderte sein Blick zur Wolke und deren Ende, welches sich langsam zum Meer hinabsenkte. Dort nur noch wenige Meter entfernt schwamm etwas unscheinbares Dunkles. Von Oben sah es aus wie ein treibender verkohlter kurzer schwarzer Baumstamm. Aber Marco wusste, dass auch Ace sein Striker von der Luft aus so aussehen könnte.
Er hatte ihn gefunden und er musste sich beeilen.

„Any!“, wieder und wieder klammerte sich Ace an den Gedanken seines kleinen Sohnes. Er versucht sich die schönsten Erinnerungen an ihn ins Gedächtnis zurück zu rufen und es waren so viele schöne Erinnerungen. Eigentlich war jede Erinnerung an Any etwas Besonderes. Ob der Kleine lachend auf dem Deck spielte oder er eine Windel bis zum bärsten vollgedonnert hatte, ob er brabbelnd kindlich irgendetwas unverständlich aber für den Kleinen spannendes erzählte oder er bockig heulend sich aufs Deck warf um seinen Willen durchzusetzen, ob er schmatzend eine große Portion Pudding vernichtete oder kränklich im Arm seines Vaters sich gesund schlief. Jede Erinnerung war wunderschön und keinen Moment wollte Ace missen. Any hielt ihn… er war sein kleiner Rettungsanker, nicht aufzugeben und durchzuhalten, obgleich die Kälte mittlerweile bis zur Unerträglichkeit in seinen Gliedern schmerzte und die schwere der Finsternis ihn mehr und mehr seines klaren Bewusstseins beraubte.
Er würde bis in die Ewigkeit ausharren und durchhalten! Er hatte es doch seinem Sohn versprochen! Und er wollte doch auch noch so vieles mit ihm erleben und viele weitere schöne Erinnerungen sammeln.
„Any!“

Elegant landete Marco auf dem Striker und musste sich sogleich am Rumpf festhalten, schwankte das kleine Boot bedrohlich und drohte zur Seite zu kippen. Eine schwere Last zog am Haltetau. Doch eh das Boot kentern konnte, hatte Marco das Gleichgewicht austariert und so den Striker stabilisiert.
Ohne weiter Zeit zu verschwenden, griff er nach dem Haltetau und dem blutigen Arm seines Kapitäns. Tief hatte sich das Tau in das Fleisch gefressen und sich mit Blut und Salzwasser vollgesogen.
Mit einem kräftigen Ruck hatte Marco Ace hochgezogen und hievte ihn nun in die Feuerwanne. Regungslos sank der Schwarzhaarige dort hinein, zusammengekauert wie ein hilfebedürftiges Kleinkind nach einer üblen Schlägerei.
„Ace!“, rüttelte Marco sogleich an der linken Schulter seines besten Freundes, hätte er jedoch nie mit der folgenden Reaktion gerechnet.

Ace spürte nichts mehr!
Seine Glieder waren steifgefroren. Sein gesamter Körper von der Kälte betäubt. Nur noch seine Gedanken an Any hielten ihn irgendwie im Diesseits. Was um ihn herum geschah und wohin ihn die Strömung des Meeres trug, dies hatte er bereits vor einer gefühlten Ewigkeit verloren. Er hatte keine Ahnung, ob er von der zerstörten Insel fortgetragen wurde oder direkt wieder darauf zu hielt. Ebenso hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Ihm kam der Kampf und sein letzter Showdown so weit entfernt vor. Stunden… ob es bereits Nacht geworden war? Jedoch für einen Blick zum Himmel oder generell, fehlte ihm die Kraft. Es war letztendlich auch egal, denn an seiner derzeitigen Situation konnte er selbst kaum etwas ändern. Das Meer hielt ihn im eisigen Griff gefangen und…
Ein stechender Schmerz durchzuckte seine geschundene Schulter, nur um einen Augenblick später in einer Explosion aus Schmerzen seinen gesamten Körper zu peinigen und ihm so schmerzlich vorzuführen, dass er noch am Leben und bei Bewusstsein war.
Schreiend vor Pein ging er in Flammen auf, kehrte mit dem Schmerz schlagartig auch seine Kraft zurück. Er spürte noch einen merkwürdigen Ruck und glaubte auch etwas zu hören, aber der plötzliche Schmerz und die Anstrengung durch seine erwachte Teufelskraft bewirkten das, was Ace all die Zeit hatte verhindern wollen. Die Finsternis nahm ihn ein, umhüllte ihn und zog ihn in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

„Ahh… verdammt!“, fluchte Marco, kaum das er die Schulter von Ace gepackt hatte. Ein gequälter schmerzlicher Aufschrei ließ Ace zusammenfahren, ging er auch sofort in Flammen auf. Zwar konnten diese Marco nichts anhaben, dennoch war es ein unangenehmes Gefühl, das heiße Feuer über seine Haut flammen zu spüren, wie seine eigene Teufelskraft im kalten Blau dagegen hielt und so Verbrennungen abwand.
Zeitgleich hatte das Feuer aber auch noch eine ganz andere Reaktion herbeigerufen. Surrend sprang die Turbine an und ließ den Striker einige hundert Meter über das Wasser jagen, eh die Flammen wieder erloschen und die Turbine erstarb, während sie vom Schub jedoch weiter getragen wurden. Ein Umstand welchen Marco nur begrüßte, hatte die finstere Wolke den Striker fast erreicht gehabt, war dieser nun vorerst wieder ein gutes Stück von diesem Übel entfernt. Marco hoffte nur, dass ihnen dies genügend Zeit eingebracht hätte, bis die Strohhutpiraten sie eingesammelt hatten. Gut und gerne wollte er auf einen direkten Kontakt mit dieser mysteriösen Wolke verzichten.
Zu seinem Unmut musste er jedoch feststellen, dass diese sich weiter langsam auf den Striker zubewegte und dabei wieder etwas an Höhe gewann. Dies war eindeutig nicht normal! Keine natürliche Wolke konnte sich so gezielt heben und senken oder auf einen ganz bestimmten Punkt hinsteuern.
„Ace verdammt, wach auf!“, rüttelte Marco erneut an seinem Kapitän und wieder an seiner linken Schulter. Aber dieses Mal blieb eine Reaktion aus. Während Ace sich beim ersten Mal nur in einem leichten Dämmerschlaf, hervorgerufen durch die Strapazen des Kampfes und der Qual des Meeres, befunden hatte, lag er nun in einer tiefen Bewusstlosigkeit, hatte ihm der spontane kraftvolle Feuerausbruch all seiner Kraft beraubt und seinen Tribut gefordert.
Sie saßen in der Falle und es gab nur noch einen Ausweg… die Strohhutpiraten!

Gebannt sah Ruffy auf den kleinen Schnipsel in seiner Hand. Jedes aufglimmen, jede auch noch so kleine Veränderung nahm er dabei wahr. Seine Gedanken lagen bei Ace, aber auch bei seiner Bande. Ob sie bereits gegen die Blackbeard-Piraten kämpften?
Eine sanfte Bewegung auf seinem Bauch ließ ihn kurz aus seinen Gedanken aufsehen. Seit er auf der Krankenstation der Oro Jackson in einem der Krankenbetten lag, lag auf seinem Bauch sein kleiner Neffe und welcher sich dort verkrampft am Hemd seines Onkels festhielt. Jedoch mittlerweile hatte sich der Griff gelockert, war Any eingeschlafen.
Es war ein unruhiger Schlaf! Immer wieder wand er sich oder verzog angestrengt das Gesicht. Dabei strahlte er eine Hitze aus, welche auf ein aufsteigendes Fieber hindeutete. Viel zu lang hatte er in der Kälte ausgeharrt. Nun reagierte sein Körper sehr stark darauf, aber ein leichtes Fieber war besser, als eine starke Unterkühlung.
Sacht strich Ruffy seinem Neffen über den Kopf, beruhigte sich Any augenblicklich und schlief nun wieder friedlich. „Bis zum nächsten Albtraum…“, dachte Ruffy und fixierte wieder den Schnipsel der Vivrecard von Ace.
Verwundert sah er auf das Papier, kam es ihm plötzlich größer vor. Nicht viel, vielleicht nur ein paar wenige Millimeter. Oder bildete er sich dies nur ein? Nein… Nein… sie war gewachsen, ein wenig, aber gewachsen.
„Leigh! Ich denke sie haben Ace gefunden! Sieh nur, seine Card ist gewachsen!“, wand er sich der jungen Frau im Nachbarbett zu, wurde sie von Doc dazu verdonnert. Wie Any war auch sie stark unterkühlt gewesen und auch sie entwickelte nun ein leichtes Fieber. Aber dies war egal, sah sie nun wie Ruffy gebannt auf das kleine Stück Papier und betete in Gedanken zum Schöpfer, das Ace sich nun in Sicherheit und auf dem Heimweg befand.

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