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Feb 22 2013

IceBluemchen

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93. Alte Verhaltensweise

Ein kalter Wind wehte über die Vulkanklippen und riss den beißenden Gestank von abgestandenen Schweiß und anderen unangenehmen Körpergerüchen mit sich. Ace wurde fast übel, fragte er sich unweigerlich, wie manche Menschen sich nur so gehen lassen konnten oder andere sich freiwillig mit solchen Subjekten abgaben. Aber der ekelerregende Gestank im kalten Wind sollte jetzt seine geringste Sorge sein.
Bis zum Morgen hatte er tief und fest geschlafen, war er von den ersten wärmenden Sonnenstrahlen geweckt worden, hatte die Sonne sich gerade erst über den Horizont gekämpft gehabt. Müde hatte er nach seinen kommenden Feinden Ausschau gehalten und hatte verblüfft aber auch verärgert feststellen müssen, dass sie bereits im Hafen eingelaufen waren. Die Segel waren gerefft und nur wenige Crewmann auf Deck auszumachen. Von dieser Warte aus war es schwer abzuschätzen, wann die Blackbeard-Piraten auf Kazanjima eingelaufen waren, aber mindestens eine Stunde würden sie schon hier sein.
Eilig hatte er seine Sachen zusammengeklaubt und in seinem Rucksack verstaut, doch eh er aus seinem Versteck hatte entschwinden können, stieg ihm der beißende verdächtige Geruch in die Nase. In seinem Versteck ausharrend, presste er sich gegen die Felswand der Klippe und hoffte so für seine Feinde unsichtbar zu sein, lauschte er nach verdächtigen Geräuschen und anderen verräterischen Dingen, welche die Anwesenheit von Menschen verriet.
„Verdammt, wo steckt der?“, hörte er eine bekannte Stimme, welche er Raffit dem Navigator Blackbeards zuordnen konnte. Mit den Jahren hatte er die Hauptcrew der Bande unweigerlich kennengelernt. Ihre Steckbriefe waren ihm bekannt, aber auch ihre Stimmen und so manche Eigenart. Es war eben immer besser, seinen Feind zu kennen, als ihnen blindlings entgegen zu treten. „Die Vivrecard zeigt genau auf diesen Punkt, aber er ist nicht hier!“, schimpfte er. Ace glaubte sich in diesem Augenblick verhört zu haben. Was für eine Vivrecard? Am liebsten hätte er in jenem Moment einen Blick aus seinem Versteck gewagt, aber er verkniff es sich und lauschte anstatt weiter dem Gespräch, stand Raffit nicht allein am Fuß der Klippe und blickte verwirrt auf das Meer hinaus.
„Es ist ziemlich windig! Bist du dir sicher, dass du sie richtig gedeutet hast?“, ein röcheln und schniefen folgte, konnte dies nur dieser schmierige Arzt Doc Q sein. Von ihm musste auch dieser beißende Gestank ausgehen, war Ace dieser Geruch nach ihrer ersten Begegnung noch im Gedächtnis geblieben. Unweigerlich lief ihm ein Schauer den Rücken hinab, wenn er nur daran dachte, dass dieser Kerl ein Arzt war. Ekelerregend und unhygienisch, fiel ihm dazu nur ein.
„Selbstverständlich habe ich sie richtig gedeutet!“, blaffte Raffit sofort dagegen. „Was glaubst du eigentlich, wie wir hierhergekommen sind? Sicherlich nicht, indem ich die Card falsch gedeutet hätte!“
„Aber er ist nicht hier! Und da draußen ist er auch nicht, außer er hat schwimmen gelernt!“, erklang eine dritte Stimme. Wan Oger mutmaßte Ace.
„Könnte es nicht eher sein, das er auf dem Rückweg zu seiner Bande ist?“, ertönte eine vierte Stimme. „Die richtige Richtung zurück nach Sutāairando wäre es!“, es musste sich bei dem vierten Mann um Jesus Barges dem Steuermann handeln.
„Ich weis nicht!“, warf Raffit skeptisch ein. Der Gedanke war einfach zu naiv, als das er sich dies wirklich vorstellen konnte. „Die Card hat bis zu unserer Ankunft immer auf die Insel gewiesen. Es würde ja unweigerlich bedeuteten, das er erst direkt nach unserer Ankunft abgehauen ist. Warum sollte er das machen… außer“
„Außer es ist eine Falle!“, führte Wan Oger den Gedanken weiter. „Die Insel ist verlassen und wir sitzen hier einige Wochen fest. Was hast du gesagt, wie lang wird der Port brauchen, bis er sich auf die nächste Insel einstellt?“
„Etwa zweieinhalb Wochen! Unicon ist die letzte Insel und alle drei Portnadeln werden sich auf diese einstellen.“, antwortete Raffit nachdenklich. Es ergab für ihn keinen Sinn, weshalb Ace erst allein als Vorhut vorpreschen sollte, nur um dann nach ihrer Ankunft wieder wie ein Feigling zu verschwinden. Dies passte nicht zu ihm! War es also doch eine Falle? Oder hatte er die Card doch falsch gedeutet?
„Und nun?“, fragte Jesus. „Was sollen wir Chefe erzählen? Das der Feigling abgehauen ist oder was?“
„Was bleibt uns anderes übrig! Hier ist er nicht und da draußen sehe ich ihn auch nicht! Wäre er abgesoffen, wäre auch die Card verbrannt. Verstecken kann er sich hier auch nirgends und das uns der Wind nur die falsche Richtung gewiesen hat, glaube ich auch nicht wirklich!“, meinte Raffit.
„Ach gib den Wisch doch mal her!“, maulte Doc Q, dem die gesamte Diskussion langweilte und nervte. „Sieh, der Wind ist schuld!“
Ace sah, wie ein kleines Blatt Papier im Wind auf die See hinausgerissen wurde. Tanzend segelte es abwärts, drehte Kreise und vollführte kleine Loopings in der Strömung des Windes. Gebannt hielt er die Luft an, als es sich gegen den Wind stemmte und war erleichtert, dass dieser das Papier in einer kräftigen Böe wieder von ihm wegriss und es nach weiteren tanzenden Kreisen von der tosenden See verschlungen wurde.
„Na toll, du Vollidiot!“, schnaubte Raffit den Arzt giftig an. „Was sollte den das werden? Wir brauchen die verdammte Card vielleicht noch! Wie sollen wir den Feuerteufel denn nun aufspüren?“
„Gar nicht! Der ist weg… basta!“, zuckte Doc Q nur mit den Schultern und wand sich ab. Er hatte von Anfang an keine Lust darauf gehabt, nach Ace zu suchen und sah es auch eher als Zeitverschwendung an. Was sie erreichen wollten, hatten sie erreicht. Ihr Plan war aufgegangen und nur dies sollte jetzt doch zählen.
„Das erklärst aber du Chefe!“, meinte Jesus, stimmten Raffit und Wan Oger dem Steuermann zu. Blackbeard würde höchstwahrscheinlich sehr sauer werden, wenn er vom Verlust der Vivrecard erfuhr. Diesem Zorn wollte sich keiner der Drei aussetzen, sollte Doc Q den herannahenden Ärger doch allein ausbaden.
„Pah…“, entgegnete Doc Q nur darauf, bereits deutlich entfernt. Auch die Stimmen der anderen Drei entfernten sich nun, sodass Ace erleichtert tief ein und aus atmete. Dies war knapp gewesen. Wäre er nur einige Minuten später erwacht, hätten sie ihn wohl schnarchend entdeckt. Oder einige Minuten früher und er wäre ihnen genau in die Arme gelaufen. So aber…
Sein Blick fiel auf den Punkt, wo das Stück Papier von den Fluten erfasst und mitgerissen worden war. Eine Vivrecard! Und nach dem Gespräch zu urteilen, seine Vivrecard! Wie war Blackbeard nur an eine Vivrecard von ihm gelangt? Doch noch mehr beschäftigte ihn der Gedanke, dass er selbst die Blackbeard-Piraten nach Kazanjima geführt hatte.
Sie hatten ihn reingelegt! Sie hatten gar keinen Port von der Insel und sie hatten auch keinerlei Ahnung, wie man sonst hierher gelangen könnte. Aber sie hatten geahnt, das Ace und seine Bande es wussten.
„Verdammt!“, fluchte Ace leise. Wie hatte er sich nur so täuschen können? Wie hatte er nur so dumm sein können und das Spiel nicht durchschaut? Darum hatte Blackbeard also so zögerlich den Kurs Richtung Sutāairando gewählt. Er hatte auf die Reaktion Seitens Ace gewartet und Ace hatte genau so gehandelt, wie es für ihn typisch war. „Verdammter Mist! Ich Vollidiot!“, fluchte er über seine eigene Dummheit. War er wirklich so berechenbar und sein Handeln so vorhersagbar?
Frustriert griff er sich seinen Rucksack und wühlte nach seinem Frühstück… Notrationskekse! Er hasste sie, aber sie waren nahrhaft und sättigend, mit der merkwürdigen Eigenschaft, dass bereits zwei bis drei Kekse ausreichten, um einen normalen Seemann satt zu bekommen. Ace‘ Rekord lag bei zwei Packungen… 40 Keksen! „Wie viel wohl Ruffy schaffen würde?“, lenkte er seine Gedanken von seinem dummen Fehler ab und schob sich den zweiten Keks in den Mund.
Der Gedanke an seinen kleinen Bruder lenkte ihn unweigerlich auf die Gerüchte, welche er kurz vor seiner Abreise gehört hatte. Ob sie der Wahrheit entsprachen? Er wusste es nicht und würde wohl auch erst nach seiner Rückkehr die Wahrheit in Erfahrung bringen können. Das er zurückkehrte, stand für ihn außer Frage! Er hatte es sich geschworen und Any versprochen.
Jedoch gab es bis dahin noch einiges zu tun! Er musste Blackbeard und seine Bande aufhalten. Sein Plan sah vor, sie einfach daran zu hindern, die Insel vorzeitig wieder verlassen zu können, indem er einfach ihr Schiff versenkte. Ein kühner und auf dem ersten Blick einfacher Plan, welcher aber seine Anwesenheit auf jeden Fall verraten würde. Doch dies war ihm im Moment auch egal! Die Oro Jackson war auf dem Weg. Er müsste sich nach seiner Aktion also nicht lange verstecken. Der Gedanke sich überhaupt zu verstecken, war ihm eigentlich zu wider. Es entsprach nicht seiner Natur, einer direkten Konfrontation auf diese Art und Weise aus dem Weg zu gehen. Aber vielleicht war genau jetzt der Zeitpunkt gekommen, sich wirklich nicht nach seiner normalen Verhaltensart zu benehmen. Blackbeard würde von ihm den Konfrontationskurs erwarten… hitzköpfig gradlinig und volles Risiko. Doch diesen Gefallen würde er ihm nicht machen.
Seufzend schob er sich den bereits sechsten Keks in den Mund. „Katz und Maus“ war noch nie sein Lieblingsspiel gewesen, war er darin verdammt mies. Aber er würde auch nicht weglaufen, obgleich dies auch eine Option darstellt. „Einfach das Schiff zerlegen und dann die Kurve kratzen…?“, murmelte er nachdenklich und griff sich den elften Keks. „Nein!“, er wollte wissen, woher Blackbeard die Vivrecard hatte. Und er wollte auch nicht das Risiko eingehen, das Blackbeard und seine Bande doch noch einen Weg weck von der Insel fanden. Seinen ehemaligen Nakama durfte er nicht unterschätzen! Blackbeard war gerissen und verschlagen. Wer wusste schon, was er als nächstes plante oder zu was er noch fähig sein würde.
Aber darüber wollte Ace jetzt nicht weiter nachdenken und sich vorerst nur auf die Zerstörung der BlackBarge konzentrieren. Jedoch während er aus seinem Versteck entschwand, seinen Rucksack im Striker deponierte und sich auf dem Weg zum Hafen begab, ließ ihn der Gedanke an seine berechenbare Verhaltensweise nicht los.
Er hatte geglaubt, in den letzten Jahren sich soweit verändert zu haben, das er eben nicht mehr der hitzköpfige draufgängerische Junge war, welcher sich stillschweigend davon stahl und seinen Feinden allein entgegentrat. Aber genau dies hatte er wieder einmal getan!
Er hatte nicht mit Marco geredet, obwohl sein Vize, bester Freund und großer Bruder doch genau der Mann gewesen wäre, welchem das merkwürdige Verhalten von Blackbeard wohl hinterfragt hätte. „Ja, Marco wäre es sicherlich aufgefallen…“, dachte Ace.
Nein, anstelle zu reden und zu seinen Gedanken und Vermutungen eine zweite Meinung einzuholen, hatte sein Hitzkopf gehandelt.
„ACH VERDAMMTER SCHEIßKRAM!“, fluchte Ace laut auf und ging Wort wörtlich in Flammen auf. Er war wütend! Wütend auf sich selbst und auch wütend auf eine so niederträchtige Art und Weise hereingelegt worden zu sein.
Das eine Gruppe Blackbeard-Piraten ihn in seiner lodernden Wut entdeckte und sich daran machte, ihn aufzuhalten, war ihm vollkommen egal. Er war nahe dem Hafen… nah genug für die Ausführung seines Planes… und was dann kommen mochte, würde er dann sehen… wenn seine Wut in tausend Trümmer verraucht war!

Wut war eine mächtige Waffe!
Sie gab einem Kraft… das Feuer lodert heiß!
Die Hölle naht, der Teufel hämisch lacht…
Es war egal… nein, es war nicht egal!
War es das… was am Ende alles ausmachte?

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