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Jan 13 2011

IceBluemchen

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14. Heimkehr

„Minuil wach auf!“ Hörte ich seine Stimme. „Minuil, du bist eingeschlafen! Bitte wach auf!“ Rüttelte er mich wach. Mein Traum verschwand und ich öffnete die Augen und schaute in sein schönes Gesicht.
„Tut mir leid!“ Flüsterte ich und setzte mich auf. „Schon gut, es ist ja auch schon sehr spät!“ Nahm er meine Entschuldigung an und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Wieder durchfuhren mich diese Gefühle. Gefühle deren Bedeutung ich mir langsam klar wurde. Einer Bedeutung die meine Entscheidung untermauerte. Einer Entscheidung die mein ganzes Leben auf den Kopf stellen würde. Ein Leben das in Glück oder Unglück enden würde.
Auch wenn ich lieber bei ihm geblieben wäre, ging ich nun müde und erschöpft in mein Zimmer und legte mich schlafen. Ich konnte jedoch nicht gleich wieder einschlafen und dachte nochmals über meine Entscheidung nach. Es wäre ein großer Einschnitt und eine große Einschränkung in meinem Leben. War dies überhaupt gerechtfertigt? Täuschte ich mich nicht vielleicht? So klar ich zu meiner Entscheidung stand, so viele Zweifel hatte ich über die Gründe. Zweifel wo ich versuchen musste, diese vor meiner Abreise noch abzuschütteln. Ich schlief ein und versank in Träume meiner Heimat, die mir plötzlich so fern erschien.
Ich schlief lange, niemand weckte mich. Das ganze Schloss schlief lange. Das Fest ging bis in die Morgenstunden und nun war es ungewöhnlich still in den Gängen. Ich schlenderte zum großen Saal, wo ich mir ein paar Obstwaffeln holte und ging dann weiter zur Bibliothek. Ich suchte nach dem Geschichtenbuch, das ich begonnen hatte, doch konnte ich es nicht finden. Enttäuscht nahm ich mir ein anderes, aber es war zu schwierig für mich. Ich seufzte und legte es auf den Stapel Bücher, die wieder einsortiert werden mussten. Und nun? Ich überlegte, ob Legolas schon wach sei und kam zu den Entschluss, einfach nachschauen zu gehen. Vor seiner Tür lauschte ich, aber es war nichts zu hören. Ich klopfte zaghaft, in der Hoffnung, das wenn er noch schliefe, das er davon nicht aufgeweckt würde. Ein ‚Herein!’ ertönte und ich trat ein.
„Minuil du bist schon wach?“ Begrüßte er mich.
„Ja, frisch und munter.“ Strahlte ich und gesellte mich zu ihm. Er saß in seinem Bett und hatte in einem Buch gelesen.
„Darf ich?“ Deutete ich aufs Bett und er nickte. Ich setzte mich neben ihm ins Bett und lächelte verlegen. Das war das erste mal, das ich im Bett eines Mannes war.
„Was liest du gerade?“ Lenkte ich ab und schaute auf das Buch, das er immer noch in den Händen hielt.
„Eine alte Geschichte über Drachen. Eines meiner Lieblingsbücher.“
„Du magst Drachen?“ Fragte ich erstaunt. Drachen waren für mich ein fürchterregender Graus. Großmutter hatte mir gruselige Geschichten über sie erzählt und mir damit immer Angst eingejagt.
„Es sind stolze elegante Geschöpfe. Leider war ihre Bosheit genauso groß, wie ihr Stolz.“ Er machte eine kurze Pause und lächelte mich an. „Diese Geschichte hier erzählt von einem Drachen, der für seine Liebe die Seiten wechselt und für das Gute kämpft.“
„Und bekommt er zum Schluss das, wofür er kämpft?“ Fragte ich neugierig.
„Nein. Zum Schluss wird er vor den Augen seiner Liebe getötet, was ihr das Herz zerreist und sie in Trauer und Wut das Land zerstört, für was er gekämpft hat. Danach sieht sie selbst nur den Weg des Todes und stürzt sich ins Meer.“
„Ein märchenhaftes Drama über Drachen.“ Murmelte ich und dachte darüber nach. Es erschien mir unwirklich.
„Soll ich dir etwas daraus vorlesen?“
„Würde ich es verstehen?“ Fragte ich mit einem leicht sarkastischen Unterton.
„Ich glaube eher nicht. Es ist in einem sehr alten Dialekt geschrieben. Ich kann es dir aber übersetzten.“ Bot er an, aber ich schüttelte den Kopf.
„Nein, ich mag Drachen nicht so gerne. Ich finde sie gruselig.“
„Und was magst du dann für Geschichten?“ Hackte er neugierig nach. Ich brauchte nicht lange überlegen, denn ich kannte meine Vorlieben sehr genau.
„Ich mag Geschichten über die Valar und die alte Zeit. Geschichten mit einem schönen Ende, das zum Träumen verführt.“ Diese ausgesprochenen Gedanken ließen mich schmunzeln und mich an meine Lieblingsgeschichte denken. Eine Geschichte über einen Elben der mit seinem besten Freund viele Gefahren überwindet, nur um sein Dorf vor einem bösen Feind zu bewahren. Meine Großmutter musste mir oft diese Geschichte erzählen und ich stellte mir immer vor, das ich dieser Elb war und mit meinem besten Freund das größte Abenteuer meines Lebens überstand.
„Nur Geschichten mit gutem Ausgang? Aber es gibt doch auch schöne Dramen!“
Wieder schüttelte ich den Kopf.
„Ich mag keine Dramen. Die machen mich traurig und… Nein ich mag sie einfach nicht!“
Er schmunzelte und nach mich in den Arm. Ich kuschelte mich an seine Schulter, seufzte und schloss die Augen. Dies würde ich vermissen. Die wärme und die nähe. Schon morgen musste ich fort und ich würde meiner Entscheidung treu bleiben, egal wie schwer es mir fallen wird.
Den ganzen restlichen Vormittag blieb ich bei ihm und wir gingen gemeinsam zu Mittag essen. Noch immer war das Schloss recht ruhig, aber dennoch schon etwas belebter als vor wenigen Stunden. Während des Mittagessens beschlossen wir, uns ein schönes ruhiges Plätzchen im Garten zu suchen. Ein schöner Plan, aber er wurde durch zahlreiche Elben zerschlagen, die die Reste des Festes beseitigten. So führte uns unser Weg wieder in Legolas Zimmer, wo wir es uns auf seiner Terrasse bequem machten und ich weiter einer Geschichte nach der anderen lauschte. Ich konnte von den Geschichten einfach nicht genug bekommen.
Gegen Abend kam Jolan zu uns. Es ärgerte mich, denn er war der Letzte, den ich heute an meinem letzten Tag in Düsterwald sehen wollte. Nun saßen wir zu dritt auf der Bank und ich in der Mitte. Von rechts und links strömten die Gefühle auf mich ein und verwirrten mich. Es war so belanglos, was Jolan sagte. So unwichtig, was Legolas Antwortete. Diese zwei Elben stürzten mich in ein Chaos der Gefühle. Gefühle die ich nicht zulassen durfte. Alle Zweifel waren hier und jetzt fort. Meine Entscheidung stand und war unwiderruflich beschlossen.
Ich würde morgen den Düsterwald für immer verlassen.
Ich würde nie mehr wiederkehren.
Ich würde mir in Rohan schnellsten einen Mann suchen und ein eigenes neues Leben aufbauen.
Ich würde Glücklich sein.
So war es doch das Beste. Auch wenn ich mir sicher war, das kein Mann Rohans dieses Chaos in mir auslösen könnte, ich würde trotzdem glücklich sein. Glücklicher als hier und jetzt.
„Minuil hörst du uns überhaupt zu?“ Dran es an mein Ohr. Entgeistert schaute ich auf Jolan und Legolas. Belanglos, Unwichtig, was sie gesagt hatten. Ich wollte hier nur noch weg und wieder Herr meiner Gefühle sein. Ich sprang auf, machte eine Schritt und drehte mich zu ihnen um. Sie waren völlig überrascht und verstanden nicht, warum Tränen über meine Wangen liefen.
„Hört auf damit!“ Schrie ich sie an und heulte nun richtig. Ich musste es beenden, hier und jetzt. Lieber schnell und schmerzlos, für sie. Als morgen lang und theatralisch und Schmerzhaft für uns alle.
„Womit? Minuil was ist mit dir?“ Fragte Legolas verwirrt. Er verstand nicht, was hier los war. Wie auch?
„Ihr macht mich wahnsinnig! Reicht es nicht, das du meine Gefühle durcheinander bringt. Nein! Ihr zwei bringt sie durcheinander! Hört auf damit! Hört endlich auf damit!“ Ich wartete keine Antwort ab. Ihre geschockten Gesichter waren Antwort genug. Ich lief davon, so schnell ich konnte. Nicht in mein Zimmer, hierher würden sie mir folgen und ich wollte sie nicht mehr sehen. Das Zimmer meines Vaters war meine letzte Zuflucht. Hier versteckte ich mich vor ihnen und lies mein Gefühl des Schmerzes heraus. Ich weinte bittere Tränen und als mein Vater kam, verstand er die Welt nicht mehr. Er hatte alle Mühe mich zu beruhigen und es ihm zu erklären, was mit mir los war, kostete mich alle Mühe.
„Ich kann nicht mit Legolas zusammen sein und ich kann Jolan nicht ewig aus dem Weg gehen. Ich hätte es nie zulassen dürfen. Ich hab doch gesehen, wie unglücklich Großmutter war, als Großvater von uns ging. Wie konnte ich dies nur vergessen und dies hier alles zulassen. Ich will nicht, das sie unglücklich sind.“
„Nein, ich hätte es nicht zulassen dürfen!“ Widersprach mir mein Vater. „Ich bin dein Vater und hätte dich davor beschützen sollen. Es tut mir leid!“ Entschuldigte er sich.
„Ich will sie nicht mehr wiedersehen!“ Schluchzte ich. Diese Worten taten so weh, denn sie stimmten nicht. Ich wollte sie wiedersehen, aber es durfte nicht sein.
Vater versprach es mir und er hielt sein Versprechen.
Er entschuldigte mich beim Abendessen. Er lies veranlassen, das meine Sachen gepackt wurden und mir für den morgigen Tag Reitkleidung auf sein Zimmer gebracht wurden. Er musste auch mit Thranduil geredet haben, denn dieser hielt mir seine Söhne fern. Sie waren jedenfalls am Morgen nicht beim Abschied dabei und wir konnten ohne eine Szene abreisen. Dennoch werde ich wohl nie Ihr Gesicht vergessen. Arie schaute gequält und traurig auf mich. Sie wirkte auf mich verletzt und das stimmte mich noch trauriger, als ich ohnehin schon war.
Wir ritten durch den düsteren Wald, den ich nun nicht mehr als bedrohlich ansah, so wie auf meiner Hinreise. Ich sah die Sonne durch die Bäume brechen und die wenigen Strahlen das triste Grün erreichen. Das singen der Vögel dran an meine Ohren und sollte mich aufheitern, doch das war unmöglich. Mit jeder Meile die wir uns vom Schloss entfernten, zerriss es mehr mein Herz. Ich würde diesen Wald sehr vermissen.
Traurig lies ich meinen Blick durch die Bäume schweifen. Hier und da war eine Lichtung zu erspähen. Und ab und an war da dieser schwarze Schatten. Immer nur für einen Wimpernschlag. Aber er war da. Er folgte uns. Er machte mir angst. Doch mein Vater und kein anderer Männer schien ihn zu bemerken. Meine Traurigkeit spielte mir wohl einen Streich und ich belies es.
Wie auf unserer Hinreise brauchten wir zwölf Tage, dann waren wir endlich wieder daheim. Zwölf furchtbare Tage, die selbst die weiten Wiesen und die Pferdeherden nicht verbessern konnten. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber ich fühlte mich nicht zu Hause. Ich fühlte mich zu fehl am Platz, wie noch nie zuvor.
Mutter merkte sofort das etwas nicht mit mir stimmte. Ich brauchte gar nicht erst versuchen, ihr etwas vorzuspielen. Das hatte keinen Sinn und so erzählte ich ihr alles. Ja wirklich alles. Wie Legolas dazu verdonnert wurde, mir das Schloss und den Garten zu zeigen. Mein Missgeschick mit den Beeren und das belauschte Gespräch. Die Freundschaft die sich zwischen Legolas und mir entwickelte und unser Spiel. Über die schönen gemeinsamen Tage und das Gefühlschaos, das die zwei Brüder in mir hervorriefen. Der Angriff der Wölfe und wie sehr ich mich doch in Jolan getäuscht hatte. Die Hochzeit und das abrupte Ende und die Entscheidung, sie nie wieder zu sehen.
„Sag niemals nie!“ Sprach meine Mutter und dies ärgerte mich. Wie konnte sie das nur sagen. Sie sagte mir doch immer wieder, das Elben und Menschen nicht zusammen gehörten. Das dies nur Unglück bedeutete. Und dann dieser Satz.
„Ich kann deine Entscheidung verstehen. In deiner Situation war sie richtig. Doch dennoch darfst du dich deinen Gefühlen nicht verschließen. Früher oder später musst du dich ihnen stellen und dann wirst du nicht darum kommen, deine Entscheidung nochmals zu überdenken!“ Meine Entscheidung überdenken? Nein! Ich hatte sie entgültig getroffen und ich wollt ihr treu bleiben. Nie mehr würde ich in diesem Leben einen Fuß in den Düsterwald setzen. Nie mehr würde ich sie sehen. Nie mehr würde ich zulassen, das sie mich in so ein Chaos stürzen.
Ich würde leben, so als wäre ich nie im Düsterwald gewesen sein, als hätte ich sie nie kennen gelernt. Es würde mir viel abverlangen, aber Menschen waren doch dafür bekannt, das sie schnell vergaßen. Also, wo sollte das Problem sein? Ich denke nicht mehr an sie und bald wird alles wieder wie früher!
Und war es so?
Nein!
Auch wenn ich mich bemühte nicht an sie zu denken, so träumte ich von ihnen. Mal von unserer schönen Zeit, mal vom Abschied. Doch eines hatten alle Träume gleich. Immer wachte ich am Ende mit einem schlechten Gewissen auf und musste mich zusammenreizen, das ich nicht los heulte. Auch wenn die Träume mit der Zeit verblassten und sich abschwächten. Immer wieder waren sie da und immer wieder fühlte ich mich schlecht. Würden diese träume nicht bald aufhören oder sie mich wenigsten nicht mehr so berühren, dann würde ich vielleicht doch aufgeben.
Oh wie hasste ich mich für diesen Gedanken!

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