«

»

Jan 13 2011

IceBluemchen

Beitrag drucken

10. Blutige Geschichte

Es machte Spaß ihnen zuzuhören und so kam mir der Weg zum Fluss sehr kurz vor. Schon waren wir da. Die Lichtung auf der ich mich nun staunend befand, war etwa so groß wie der große Saal im Schloss. Auf der satt grünen Wiese wuchsen Blumen in vielen verschiedenen Farben. Schmetterlinge flogen ihre Runden und Hummeln sammelten Nektar. Wir stellten unser Pferde frei und sie trottelten am Rande der Lichtung umher und grasten. Unser Lager schlugen wir am Linken Rand nur wenige Schritte vom Fluss entfernt auf. Lanu und Tolan breiteten drei Decken aus und holten noch einen Stapel Handtücher aus dem einen Rucksack, der damit leer war. Im anderen Rucksack befand sich Essen und Trinken. Während ich eine Waffel und einen Apfel aß, tranken die Jungs nur eine Kleinigkeit.
Sie wollten ins Wasser! Also zogen sie sich aus. Unweigerlich beobachtete ich sie, wobei ich die meiste Zeit Legolas und Jolan anstarrte. Jolans Körper war makellos leicht muskulös. Seine Haut war leicht gebräunt und sein dunkles Haar reichte ihm bis zur Hüfte. Er trug eine dunkelgraue Knielange Leinenhose als Badebekleidung. Legolas war ebenfalls leicht muskulös, wirkte gegenüber Jolan aber zierlicher. Auch seine Haut war leicht gebräunt, sein Haar reichte ihm nur bis zur Brust. Er trug ebenfalls eine Leinenhose, nur seine war schwarz. Zu guter letzt band er seine Haare locker zu einem Zopf zusammen und enthüllte damit eine große noch frische Narbe. Sie konnte noch nicht alt sein, vielleicht drei Monate, dachte ich. Es fiel natürlich auf, das ich die Jungs beim umziehen beobachtet hatte und das nun mein Blick auf Legolas Narbe hingen blieb.
„Mach dir darüber keine Gedanken! Das ist nur ein Kratzer!“ Meinte Legolas und setzte sich lächelnd neben mich. „Für einen Kratzer sieht die Narbe aber ziemlich fies aus!“ Entgegnete ich und knabberte weiter an meiner Waffel. Legolas winkte nur ab. „Ach in ein paar Jahren ist sie verblasst und vergessen.“ Ich wusste, das eine Narbe einen Elb nicht auf Ewig verunstaltet, das sie verblassten und nur noch die Erinnerung an sie blieb. Und selbst die meist nicht, denn wer erinnerte sich schon gerne an so etwas. „Wie ist das passiert?“ Fragte ich neugierig. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie diese Narbe zu Stande kam. In meiner Vorstellung waren Elben unbesiegbar und nur Ihresgleichen war ihnen ebenwürdig. Ob es beim Training passiert ist? „Nicht jetzt!“ Sagte er nur knapp. Er wollte es mir nicht erzählen und stand nun auf. Er ging aber nur zwei Schritte, dann blieb er stehen und wand sich wieder mir zu. „Ich kann mich kaum daran erinnern. Wenn du es unbedingt wissen willst, dann musst du Elias fragen.“ Er machte ein gequältes Gesicht, doch dann hellte sich seine Stimmung wieder auf. „Aber nicht jetzt! Komm, das Wasser ist sicherlich herrlich!“ Er reichte mir die Hand und zog mich auf die Füße. „Ich muss mich erst noch umziehen!“ Er lächelte und drehte sich um und versperrte bewusst den anderen den Blick auf mich. Schnell zog ich meine Stiefel aus, knöpfte meine Tunika auf und lies sie zu Boden fallen. Meine Reithose folgte und nun stand ich nur noch mit dem kurzen Top und Badehöschen bekleidet hinter Legolas. Ich trat dichter an ihn heran und tippte ihn an die Schulter. „Fertig?“ Fragte er, was ich bejahte. Er drehte sich um und musterte mich schmunzelnd. „Wunderschön!“ Hauchte er und zog mich dicht an sich. Ich schmiegte mich an seine Brust, schloss die Augen und genoss diesen kurzen Moment. Die Nähe und die Zärtlichkeiten zu ihm fielen mir nicht schwer. Es war mir, als wäre es eine Selbstverständlichkeit dies zu tun. Gedankenversunken streichelte ich seine Brust. Meine Finger glitten über seine weiche Haut und sie kribbelten und ein wohliges Gefühl durchflutete mich. „Minuil!“ flüsterte Legolas und richtete so meine Aufmerksamkeit auf sein Gesicht. Ein Lächeln umspielte seine Lippen und seine Augen waren von einer Wärme, die mich in ihren Bann zogen und alles vergessen lies. Zärtlich küssten wir uns.
„Kommt ihr jetzt ins Wasser oder was wird das?“ Hörte ich Jolan brüllen und riss mich aus meinen Gedanken. Legolas löste sich von mir und schaute genervt zu ihm hinüber. Jolan grinste und wand sich dann wieder den anderen zu. Legolas seufzte und lächelte mich an. Er ergriff meine Hand und nun gingen auch wir ins Wasser.
Das Wasser war angenehm kühl. Kein Lüftchen wehte und die Sonne wärme uns mit ihren leuchtenden Strahlen. Während ich ein paar Züge schwamm, spielten die Jungen eine Art ‚Hasch-Mich!’. Sie hatten ein Stofftuch, das in der Mitte geknotet war. Schnell bildeten sie zwei Mannschaften und nun versuchte jede das Tuch an sich zu bringen. Jolan, Elias und Lanu gegen Legolas, Tolan und Mereen. Was für eine Balgerei, derjenige der das Tuch hatte musste immer auf der Hut sein, das sich kein Gegner auf ihn warf. Sie warfen sich das Tuch innerhalb ihrer Mannschaft zu, während die anderen versuchten es abzufangen. Gelegentlich flog das Tuch zu mir und dann sah ich mich in der Gefahr, das sich jemand auf mich warf. Also warf ich das Tuch immer schnell weg, um so der drohenden Gefahr aus dem Wege zu gehen. Nach einer Weile wurde mir das Wasser dann aber doch zu kalt und ich setzte mich in die Sonne zum trocknen und beobachtete die Jungs bei ihrem Spiel. Es war unmöglich zu sagen, wer gewinnen würde. Ich glaube, darum ging es auch gar nicht. Der Spaß war das wichtigste am ganzen Spiel.
Gegen Mittag unterbrachen die Jungs ihr Spiel und wir aßen zu Mittag. Es gab Waffeln, Würste, verschiedenes Obst und Gemüse. Während des Essens erzählte mir Tolan eine Geschichte aus der Zeit, wo Jolan noch ein Schüler von Elias war. Tolan erzählte grundsätzlich nur lustige Geschichten und so musste ich oft mein Essen unterbrechen vor lachen. Eine Frage brannte mir bei den Geschichten aber auf der Zunge. Es war unmöglich zu sagen, wie alt sie waren. An ihrem Aussehen konnte ich das ja nicht fest machen und die Geschichten verwirrten mich dahingehen noch mehr. „Jungs ich möchte nicht unhöflich sein, aber ihr verwirrt mich sehr! Also wie alt seit ihr eigentlich?“ Tolan fand das lustig und grinste, Elias klärte mich dann auf. „Mereen ist der älterste von uns. Er ist etwa so alt wie Thranduil. Gefolgt von Tolan, Mir, Jolan, Legolas und unser Jüngster ist derzeit Lanu. Tolan, Jolan und Ich sind nur wenige Jahre auseinander, dagegen sind Jolan und Legolas um die 500 Jahre auseinander…“ Jolan zog eine Braue hoch und korregierte Elias. „Es sind an die 700 Jahre!“
700 Jahre Altersunterschied. Das war schwer vorstellbar. Ich versuchte mir Legolas als Kind vorzustellen, aber es ging nicht. Ich hatte noch kein Elbenkind gesehen. Lanu war der jüngste Elb den ich kannte. Ob Elbenkinder wie Menschenkinder waren? Ich grübelte etwas rum und währenddessen erzählte nun Jolan eine Geschichte, die zur Zeit des ersten Ringkrieges spielte, aber ich hörte nur mit einem halben Ohr hin. Legolas hatte sich neben mir auf den Bauch gelegt und träumte vor sich hin. Gedankenversunken lies ich meine Finger über seinen Rücken streichen, aber an der Narbe stockte ich. Jolan war gerade mit seiner Geschichte fertig und sie wollten wieder ins Wasser. „Elias, darf ich euch etwas fragen?“ Er wand sich zu mir und lächelte. „Natürlich. Was möchtest ihr denn wissen?“
„Legolas Narbe! Er sagte mir, das er sich daran kaum noch erinnern kann, was geschehen ist und ich solle euch fragen, ob ihr mir die Geschichte erzählt!“ Elias atmete tief durch. Die Erinnerung an die Geschichte schien ihn zu schmerzen. „Na gut, aber nur unter einer Bedingung!“ Ich schaute ihn argwöhnisch an, was für eine Bedingung? „Bitte lasst die Förmlichkeit, wenn wir im kleinen Kreis sind. Wir sind alle Freunde und wir sehen auch Euch als Freund!“ Ich strahlte, diese Bitte konnte ich sehr gut nachkommen.
Er setzte sich wieder hin, mir direkt gegenüber und wartete, bis die anderen wieder im Wasser waren. Nur Legolas blieb noch bei uns und träumte weiter.
„Es war vor ungefähr vier Monaten, der Schnee hatte begonnen zu tauen und die ersten Schneeglöckchen kämpften sich durch das kalte Weis. Legolas, Lanu und ich waren im Süden auf einer Grenzpatrolie gewesen. Es hatte Gerüchte von dunklen Kreaturen gegeben und die sollten wir auf den Grund gehen. Aber durch den Schnee war es nicht möglich gewesen, brauchbare Spuren zu finden und die Wachposten der Grenze hatten die Kreaturen nicht identifizieren können. Sie hatten sie nur in der Nacht herumschleichen gesehen und sie waren immer so schnell verschwunden, wie sie mysteriös aufgetaucht waren. Unser Verdacht viel auf Schwarze Wölfe und wir gaben der Grenzwache den Befehl, das sie diese wenn möglich erlegen sollten, aber ohne sich in Gefahr zu bringen. Solange die schwarzen Wölfe nicht weiter nördlich kamen, stellten sie keine Gefahr für die Siedlung da. Früher oder Später hätte schon ein Jagdtrupp sie aufgespürt und erlegt.
Wir ritten also wieder heim. Auf dem Rückweg begann es zu schneien und die Sicht war dadurch mehr als schlecht. Wir kamen so nur langsam voran, aber wenn wir nicht rasteten, wären wir bis Sonnenuntergang wieder im Schloss gewesen. Der Pfad den wir nutzen war schmal und wir mussten hintereinander reiten. Lanu ritt in der Mitte, gefolgt von Legolas und ich führte sie. Hätten wir die Gefahr geahnt, hätten wir nie diesen Pfad genutzt, denn er machte uns zu angreifbar. Und auch genau dies geschah. Ich wurde von einer dunklen Kreatur vom Pferd gerissen. Durch das Schneetreiben waren unsere Sicht so sehr beeinträchtig und auch Geräusche waren schwerer wahrzunehmen, das wir sie nicht bemerkten, bis sie uns angriffen. Auch Lanu wurde von einer dunklen Kreatur vom Pferd gerissen, ebenso Legolas. Während ich meine Kreatur schnell erschlagen konnte, hatte Lanu etwas Schwierigkeiten. Aber mit meiner Hilfe konnten wir auch diese Kreatur erschlagen. Doch kaum waren sie tot, kamen Neue. Insgesamt waren es sechs Kreaturen die wir gemeinsam erlegten.“
„Und was waren es für Kreaturen?“ Unterbrach ich ihn.
„Orks!“ Flüsterte Legolas, ohne die Augen zu öffnen.
„Ja, Orks. Sie hatten großes Glück, das es geschneit hatte und wir nicht mit ihnen gerechnet hatten, denn sonst hätten sie uns nie so überraschen können!“ Elias Stimme klang niedergeschlagen. Er gab sich die Schuld für den Angriff. Er hätte besser acht geben müssen.
„Und Legolas? Was war mit ihm?“ Fragte ich neurierig.
„Legolas wurde wie schon erwähnt auch vom Pferd gerissen. Doch er wurde gleich von Dreien gleichzeitig angegriffen. Er wehrte sich nach Leibeskräften. Ich habe nicht gesehen, wie es geschar, aber einer der Orks schaffte es, ihm sein dreckiges Schwert über den Rücken zu ziehen. Ich höre noch heute Legolas schmerzerfüllten Aufschrei.“ Daher also die Narbe. Ein Orkschwert hat ihm das angetan. Ich sah es vor mir und erschauderte.
„Wir hatten versagt! Es ist die Aufgabe der königlichen Wache genau so etwas zu verhindern. Wir schützen die königliche Familie. Bevor sie zu Schaden kommen, geben wir unser Leben, um dies zu verhindern.
Lanu und Ich waren zu diesem Zeitpunkt noch mit den letzten Orks zugange, die uns angriffen. Die Ereignisse überschlugen sich nun. Wie im Wahn droschen wir auf die Orks ein, um schnellst möglich Legolas beschützen zu können. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie alle Tod waren, doch endlich fiel der letzte zu Boden und wir rannten in die Richtung, aus der wir Legolas Schrei gehört hatten.“ Er schloss die Augen und atmete tief durch.
„Die Szene die sich uns bot, war grausig. Drei tote Orks lagen aufgeschlitzt auf den Boden und tränkten den letzten Schnee blutrot. In mitten dieses Rots wirbelte Legolas herum und hielt sich verzweifelt zwei Orks vom Leib. Seine Bewegungen waren längst nicht so geschmeidig und kraftvoll, wie wir es gewohnt waren. Etwas stimmte nicht! Lanu und Ich warfen uns auf die zwei Orks und schlugen ihnen die Köpfe ab. Als die Orks zu Boden fielen, sank auch Legolas zusammen. Er hatte seine letzte Kraft in den Kampf gelegt und war nun am Ende. Ich konnte ihn gerade so noch auffangen, eh er in den Schnee geklatscht wäre. Zitternd klammerte er sich an mich. Ich konnte seine klaffende Wunde auf seinem Rücken sehen, die Fetzen seines Hemdes konnten sie nicht verbergen. Während Lanu uns sicherte und zwei weiteren Orks erschlug, versuche ich die Wunde zu versorgen und vor allem die Blutung zu stoppen. Aber es ging nicht. Viel zu groß und tief war der Schnitt. Mit den begrenzten Mitteln die uns zur Verfügung standen, konnte ich nicht einmal einen richtigen Verband anlegen. Ich konnte sie gerade einmal mit dem zerfetztem Hemd abdecken und dieses provisorisch mit ein paar langen Streifen aus meinem Umhang fixieren. Wir wickelten ihn in unsere Umhänge, denn durch den hohen Blutverlust begann er zu frieren. Eile war geboten und so trieben wir unsere Pferde zu einem gefährlichen Tempo an. Gefährlich, weil durch den Schnee unsere Sicht behindert war und die gefahren des Pfades so verborgen waren, aber es bestand auch die Gefahr, das Legolas verblutete.“ Mit Angst in den Augen schaute ich Legolas an und meine Finger schweiften über die Narbe. Legolas lag noch immer ruhig da, hatte seine Augen geschlossen und lauschte so der Geschichte.
„Vor Einbruch der Nacht erreichten wir das Schloss. Legolas hatte kurz zuvor das Bewusstsein verloren. Es war erstaunlich gewesen, das er bis dahin überhaupt wach geblieben war, bei dem hohen Blutverlust. Aber nun lang er aschfahl in meinen Armen und ich hatte Angst, das er mir so kurz vor dem Ziel stirbt.“
„Aber er ist nicht gestorben! Schon zwei Tage später rannte er durch das Schloss, als wäre nichts gewesen!“ Hörte ich Jolan sagen mit einem schelmischen grinsen auf den Lippen.
„Ich hatte nur keine Lust mehr auf Aries Pflege gehabt. Du weist genau, wie sie einen bemuttern kann!“ Wand Legolas ein. Er drehte sich um und setzte sich auf.
„Also ich finde Aries Pflege sehr aufopferungsvoll und…“ Verteidigte Elias seine Gefährtin.
„Das zählt nicht, du bist befangen!“ Winkte Jolan ab.
„Aber es ist doch wahr und ihr solltet es schätzen, das sie sich so rührend um euch kümmert!“ Elias hatte nun etwas väterliches an sich. Ja, er erinnerte mich an meinen Vater, worüber ich schmunzeln musste.
„Sie ist wie eine Glucke. Man braucht sich nur in den Finger schneiden und schon schleift sie einen zu Mereen und besteht auf einen Verband, als hätte man sich den Finger gleich abgeschnitten!“ Nun musste ich lachen. Es war eine zu köstliche Vorstellung, wie Jolan mit einem blutenden Finger zu Mereen geschleift wurde und seine Hand in einen riesen Verband versteckt wurde. Mein Lachen steckte Legolas an und wir lachten nun gemeinsam über den kleinen Streit zwischen Jolan und Elias.
„Sie ist nun mal sehr führsorglich!“ Stellte Elias klar und funkelte Jolan an.
„Ohh warte erst mal morgen ab, dann wirst du es ja bald selbst erfahren, wie nervig es sein kann, wenn sie einen…“
Ein Schrei schnitt Jolans letzte Worte ab. Mein entsetzlicher Schrei! „Ahh!“ Schrie ich aus Laibes Kräften und angsterfüllt. „Wölfe!“

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://icebluemchen.4lima.de/?p=164