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Feb 21 2012

IceBluemchen

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32. Der Brief des Hokage

Genervt kam Sasuke zurück zu seinem Zimmer und sah gerade noch, wie zwei Schwestern beladen mit Handtüchern und Waschschüssel aus seinem Zimmer kamen. Zu seiner angenervten Laune schwang nun auch noch Enttäuschung, das er heute wohl wirklich nicht mehr die Narbe seines Bruders zu Gesicht bekommen würde. Mit hängenden Schultern und trübem Blick betrat er sein Zimmer und ging zielstrebig auf das Bett seines Bruders zu.
„Was ist denn Sasuke?“, fragte Itachi sogleich besorgt, als er die betrübte Miene seines Bruders erblickte. Leicht zuckte Sasuke zusammen und zwang sich dazu, seine Gedanken hinter einer Fassade zu vergraben, aber gegenüber Itachi war dies einfach unmöglich. Als wäre er ein offenes Buch, konnte Itachi ihn schon immer lesen.
„Naruto ist eine Nervensäge und Sakura ist nicht viel besser!“, brummelte er und kletterte zu Itachi ins Bett. Sofort bemerkte er den frischen Pyjama. Sein Blick wanderte zu Itachis Gesicht und erst jetzt fiel es ihm auf, das Itachi angelehnt ans Kopfteil saß und sein Haar noch leicht feucht offen über seine Schultern fiel, wo die Schwestern ihm ein Handtuch übergelegt hatten, sowie ein Zweites auf dem Kopfkissen lag.
„Aber sieht so aus, als hättest du auch deinen Spaß gehabt!“, ein kurzes Lächeln schlich sich über seine Lippen, was jedoch sofort wieder hinter der trübseligen Miene verschwand.
„Dann hatten wir wohl beide recht viel zu Lachen gehabt!“, zog Itachi Sasuke an seine Schulter. „Mhh…“, knurrte dieser nur leicht und genoss die Nähe zu seinem großen Bruder.
Auch Itachi genoss die Nähe und schloss seine Augen. Er war müde, war die Reha-Stunde sehr anstrengend gewesen und seit Kakashi ihm den Brief des Hokage übergeben hatte, überschlugen sich seine Gedanken, wie er dies nur seinem kleinen Bruder vermitteln sollte. Er wusste ja selbst nicht einmal, wie er sich entscheiden sollte. Wie sollte er da eine Entscheidung von Sasuke erwarten können.
„Was ist das denn?“, riss ihn Sasuke plötzlich aus dem Halbschlaf. Blinzelnd blickte er auf und sah, das Sasuke auf den Brief des Hokage deutete. „Oh das…“, fuhr Itachi sich übers Gesicht und versuchte seine Müdigkeit für einen Moment abzuschütteln.
„Es ist ein Brief von Meister Hokage. Er möchte das… nun ja… es ist so, das wir…“, leicht seufzte Itachi auf, fand er keinen rechten Anfang. Er hatte gedacht, er könne wenigsten eine Nacht darüber schlafen und für sich selbst eine Entscheidung treffen, eh er mit seinem kleinen Bruder darüber sprechen würde. Nun aber war er völlig unvorbereitet und unschlüssig.
Verwundert sah ihn Sasuke an und konnte es kaum glauben, das sein großer Bruder verlegen um jedes Wort rang. „Itachi-san, was ist los? Es gibt doch nicht etwa Ärger? Ich meine, du hast nichts schlimmes getan, es wäre ungerecht, wenn er dir jetzt Schwierigkeiten bereitet!“
„Nein, ich habe keinen Ärger oder Schwierigkeiten!“, er seufzte abermals, „Meister Hokage möchte, das ich eine sehr wichtige Entscheidung treffe. Eigentlich will er, das wir zusammen diese Entscheidung treffen, aber es ist nicht so einfach…“, unsicher sah er Sasuke an. Wie sollte er ihm dies nur erklären, ohne ihm wehzutun?
„Itachi-san, was sollen wir entscheiden?“, das Itachi so unsicher war, machte Sasuke stutzig und beunruhigte ihn selbst. „Ist es etwas schlimmes, Nii-san?“ Am liebsten hätte Sasuke sich einfach den Brief genommen und gelesen, was der Hokage dort von ihnen wollte, das es Itachi so verunsicherte.
Itachi nahm den Brief in die Hand und sah ihn lange schweigend an. „Sasuke, wie viel weist du über die Entstehungsgeschichte Konohagakures?“, fragte er ihn dann plötzlich. „Hää?“, Sasuke begriff den Zusammenhang nicht recht. Was hatte dieser Brief mit der Entstehung des Dorfes zu tun? „Ich weis das, was sie uns in der Akademie darüber erzählt haben. Ähm…“, kurz dachte er nach, damit er die Fakten auch in die richtige Zeitlinie gebracht bekäme. „Der Senju-Clan und der Uchiha-Clan begründeten gemeinsam das Dorf und Hashirama Senju wurde zum ersten Hokage ernannt.“, wenn er ehrlich war, hatte ihn die Entstehungsgeschichte des Dorfe herzlich wenig interessiert. Es war nicht Prüfungsrelevant, daher hatte er sich diesen Stoff zwar aufmerksam angehört, aber sich nicht wirklich gemerkt.
„Ja, so in der groben Zusammenfassung stimmt dies. Aber ganz so einfach war es damals dann doch nicht. Du musst wissen, das beide Clans sehr groß und mächtig waren. Sie an einem Ort friedlich zu vereinen, bedurfte einiges an Verhandlungen und Kompromissen. Und einer dieser Kompromisse war, das dem Uchiha-Clan etwas Land am Rande des Dorfes zugesichert wurde, wo sie ihre heilige Stätte, den Nakano-Schrein errichten konnten.“ Verwundert sah Sasuke ihn an. Er hatte dies nicht gewusst. Dies hatte man ihm im Unterricht nicht erzählt beziehungsweise konnte er sich nicht daran erinnern, das über irgendwelche Schwierigkeiten oder Kompromisse gesprochen wurde. Nein, es hatte sich alles so harmonisch und einfach angehört. Ob ihnen einfach das ein oder andere Detail vorenthalten wurde?
Und dann erst der Nakano-Schrein! Innerlich grauste es ihn vor diesem Ort. Was er dort gesehen und gelesen hatte, fand er unheimlich. Itachi hatte ihn dort vor vier Jahren hingeschickt und ihm gesagt, wo er den geheimen Versammlungsraum ihres Clanes finden würde. Allein das es überhaupt einen geheimen Versammlungsraum gab, fand er schon damals etwas merkwürdig. Wozu sein Clan diesen damals wohl genutzt hatte? Und dann diese merkwürdige Steinplatte. Er hatte sie gelesen, aber nicht wirklich verstanden. Irgend etwas über die Besonderheiten des Sharingan und der Clanentstehung hatte dort gestanden. Aber er war damals so aufgewühlt gewesen, das ihm heute dies alles mehr wie ein Traum vorkam.
„Und was hat dies mit dem Brief zu tun?“, noch begriff er nicht ganz den Zusammenhang darin. Tief atmete Itachi durch. „Das Land war groß genug, das sich einige Zeit später dort das Uchiha-Viertel bildete.“, unweigerlich krampfte sich Sasuke zusammen und richtete starr seinen Blick auf den Brief. „Itachi-san, was steht in diesem Brief?“, seine Stimme war brüchig und voller Angst.
„Es geht um die zukünftige Nutzung unseres Landes…“, Itachi kamen diese Worte nur flüsternd über die Lippen. Warum musste der Hokage dies ausgerechnet jetzt von ihnen verlangen? Jetzt wo sie sich gerade wiedergefunden hatten und zueinander fanden. Diese Entscheidung riss so vieles an unverheilte Wunden auf… und dies nicht nur bei Sasuke.
Seit damals hatte Itachi keinen Fuß mehr in das Viertel gesetzt. Er konnte es nicht. Es genügte der bloße Gedanke, der all die düsteren Erinnerungen zurückholte, die stummen Schreie und das viele Blut. Er wollte auch nie mehr diesen Ort betreten und wünschte sich, das die Natur einfach ihre grausame aber besänftigende Hand erhob und die düsteren Überbleibsel dieses Unglücks verschlingen würde.
Unweigerlich zog er Sasuke fester an sich und hielt ihn einfach nur fest. Er hatte plötzlich Angst, Sasuke könne aufspringen und fortlaufen. Er fürchtete sich, das der Hass zurückkehren und er seinen kleinen Bruder für immer verlieren könnte. Er spürte das leichte beben des kleinen Körpers, folgte ein Schluchzen und schniefen. Es trieb Itachi selbst Tränen in die Augen und er ließ sie zu.
Zum ersten mal seit so langer Zeit ließ er den Schmerz zu, den er so tief in sich vergraben hatte. Wie hätte er auch in der Vergangenheit sonst damit umgehen sollen? Als Nuke-Nin hatte er den Schmerz der Trauer nicht gebrauchen können. Es hätte ihn schwach gemacht. So hatte er diese Gefühle verdrängt und tief in sich begraben, aber sie waren ihm immer präsent gewesen. Wie ein Geschwür hatten sie ihn doch geschwächt… und nun zahlte er den Preis! Er war sterbenskrank und fast hätte er aufgegeben. Aber Sasuke hatte wiedererwartend zu ihm gehalten und für ihn wollte er kämpfen.
Er spürte die zarte Berührung von Sasukes Hand auf seinem Gesicht und wie sie behutsam seine Tränen fortwischten. Mit verweinten Augen sah Sasuke ihn an, sein Blick so traurig. Doch dann wich der Traurigkeit blanke Wut.
„Was sollen wir entscheiden?“, flüsterte er mit einer bedrohlich ruhigen Stimme. „Ob wir die Häuser wieder herrichten lassen? Wer dort zukünftig wohnen soll? Ob wir dafür eine Miete verlangen wollen? Soll ich dir sagen, was wir mit diesem Land machen…“, blanker Zorn funkelte aus seinen Augen und nahm ihn vollkommen ein, sodass es Itachi eiskalt den Rücken hinab lief.
„Nein, ich werde dir und allen anderen Zeigen, was wir mit diesem Land machen!“, während er zornig sprach, hatte er seine Hände zu Fausten geballt. Unweigerlich zuckte Itachi zusammen und drehte seinen Kopf weg, als erwarte er im nächsten Augenblick einen Schlag mit der Faust.
Aber es kam keiner. Dafür aber rutschte Sasuke aus dem Bett und eilte zum Schrank. Hastig riss er ihn auf und machte sich sogleich an seiner Tasche zu schaffen. „Sasuke, was hast du vor?“, rief Itachi nach ihm, aber sein kleiner Bruder reagierte überhaupt nicht. Stattdessen zog er sich in windes Eile um und stürmte aus dem Zimmer.
„SASUKE!“, rief Itachi ihm noch nach, aber es hatte keinen Sinn, fiel die Tür scheppernd ins Schloss. „Sasuke…“, Itachi war verzweifelt. Was hatte seine kleiner Bruder nur vor? Er war so wütend und aufgebracht gewesen. Aber eigentlich hatte er mit seinen Worten auch recht gehabt.
War es wirklich der Gedanke des Hokage dieses Viertel wieder zu beleben? Nach vier Jahren der Gleichgültigkeit und blankem Verfalls, sollten sie das Unglück einfach vergessen, das Blut fortzuwischen und so tun, als wäre dies alles nicht geschehen?
Irgendwie bezweifelte Itachi, das Sarutobi so denken würde. Es hatte ihn damals bestürzt, das alles so gekommen war und keine andere Lösung für die vorherrschenden Probleme gefunden wurde. Noch heute verspürte er mit Itachi Mitleid, auch wenn er es nicht offen aussprach, sein Handeln und seine Entscheidungen hatte ihn verraten.
Nur was sollte dann diese Aufforderung, über den weiteren Verbleib des Landes zu entscheiden? Und warum jetzt und nicht irgendwann später, wenn sich die komplette Situation beruhigt hätte? Wie würde es nach außen den wirken, wenn sich dort plötzlich etwas täte?
In Itachis Kopf rasten die Gedanken und er fürchtete eine große Dummheit seines kleinen Bruders. Schon allein das er fortgelaufen war, obwohl er gar nicht das Bett, Zimmer und Krankenhaus verlassen durfte.
Suchend sah er sich um und musste frustriert feststellen, das die zwei Schwestern die Klingel außer seiner Reichweite gehängt hatte, als sie ihn hatten gewaschen und umgezogen, und vergaßen, sie ihm wieder zu geben. Er versuchte noch, nach ihr zu greifen, aber er schaffte es nicht.
„Sasuke, bitte komm zurück!“, flüsterte er verzweifelt und drehte sich auf die Seite. Durch das aufgestellte Kopfteil, war es ihm so möglich, sich in eine sitzende Position zu bringen, rutschten seine Beine aus dem Bett und zum ersten Mal seit so langer Zeit, hatte er wieder festen Boden unter den Füßen.
„Sasuke! Bitte!“, presste er unter schmerzen und voller Anstrengung heraus. Er musste Hilfe holen. Jemand musste Sasuke aufhalten und zurück bringen. So versuchte er aufzustehen, aber kaum hatte er seine Beine belastet, sackte er in sich zusammen und schlug hart auf den Boden. Schmerzlich schrie er auf, als ein unerträglicher Schmerz durch seinen Bauch zuckte und ihn Sterne sehen ließen.
„Sasuke…“, er war so verzweifelt, das er den Schmerz ignorierte und sich hochstemmte. Aufkeuchend und schwer atmend schaffte er es in eine sitzende Position. Sein Blick richtete sich auf den schnell piepsenden Monitor, griff er an seine Brust und riss die Kabel von dort fort. Auch seine Infusion zog er heraus, behinderte ihn dies alles jetzt nur. Er musste Sasuke folgen oder zumindest jemanden hinter ihm herschicken.
Aber nur einen Augenblick nachdem das nervige gepiepse in einen schrillen langgezogenen Piepston über ging, wurde die Tür zu seinem Zimmer aufgerissen und Shuga stürmte hinein. In seinem Gesicht spiegelte sich blanke Panik wieder, die sich nun jedoch zu großer Sorge wandelte.

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