«

»

Okt 28 2011

IceBluemchen

Beitrag drucken

15. Eine unerwartete Entschuldigung

Schrill piepte der Monitor und versetzte die Intensivstation in ein hektisches jedoch geordnetes Gewimmel aus Ärzten und Schwestern. Jeder wusste was seine Aufgabe und was nun zu tun war.
Auch Shuga eilte aus dem Zimmer, während Kakashi Sasuke im Bett halten musste. „Mein Bruder…!“, schrie er und wollte sich aufrichten und zu ihm. Aber Kakashi reagierte sofort, hielt ihn im Bett und sprach beruhigend auf ihn ein.
„Sasuke ruhig. Du musst dich beruhigen. Es hilft deinem Bruder nicht, wenn du dir wehtust. Er braucht jetzt alle Hilfe und Aufmerksamkeit. Also bitte beruhig dich. Bitte!“, es fiel Sasuke äußerst schwer, sich zu beruhigen, schaffte es nicht wirklich. Aufgewühlt und noch immer von Kakashi in die Kissen gedrückt, lauschte er auf die Geräusche und die Worte, die in sein Zimmer drangen.

Eilig lief Shuga zu Itachi, war bereits der Oberarzt der Allgemeinen Medizin Dr. Matsu, sowie ein Chirurg vor Ort und gaben den Schwestern Anweisungen. „Was ist passiert?“, fragte Shuga und trat an die Seite seines Vorgesetzten, der Itachi gerade abhorchte.
„Er hat Flüssigkeit in der Lunge und bekommt keine Luft mehr. Wir müssen das Sekret abziehen, bevor er erstickt.“, erklärte der Oberarzt die Lage und begann bereits zusammen mit dem Chirurgen alles notwendige dafür vorzubereiten.
Shuga wurde nervös, so etwas kannte er nur aus dem Lehrbuch, hatte so etwas noch nie gesehen oder gar gemacht. In diesem Moment war er froh, das der Oberarzt und der Chirurg gerade auf der Station waren und ihm half.
„Ich habe so etwas noch nie gemacht oder gesehen!“, gestand er daher sofort, nickte Dr. Matsu nur. „Dann wirst du es jetzt lernen!“, sprach er dann und reichte ihm das Skalpell. „Was?“, keuchte Shuga sofort auf, überging Dr. Matsu dies jedoch.
„Du musst den Schnitt direkt dort zwischen den Rippen ansetzen…“, erklärte der Oberarzt und deutete auf die richtige Stelle. „…du merkst dabei einen Druck, der von der Flüssigkeit herrührt. Du darfst nicht die Lungenwand beschädigen, da die Flüssigkeit sonst in seinen Brustraum fließen würde. Also einen glatten 2cm langen Hautschnitt. Erst danach erfolgt der Drainageschnitt. Verstanden?“
Shuga nickte, so kannte er es auch aus dem Lehrbuch. Nervös sah er auf Itachi, dessen Brust sich kaum noch hob. „Ganz ruhig! Atme einmal tief durch und dann los!“, sprach der Chirurg mit sachlicher Ruhe, stand er bereit, falls Shuga diese Situation nicht packen würde.
Tief atmete Shuga ein und wieder aus, jedoch konnte er einfach nicht. „Shuga nur so kannst du es lernen. Ob nun heute er oder morgen ein anderer. Lernen kannst du es nur so!“, redete Dr. Matsu auf ihn ein, wusste Shuga ja, das der Oberarzt recht hatte. Dennoch war er nervös und aufgeregt, hing jetzt so viel davon ab, das er es auch richtig tat. Behutsam tastete er die Rippen ab, wo der Oberarzt ihm die richtige Stelle gezeigt hatte, um den richtigen Punkt für den Schnitt zu finden. Vorsichtig setzte er das Skalpell an, ging es dann recht schnell. Kaum hatte er den Schnitt gesetzt, reichte man ihm auch schon die Drainage und eine OP-Schere.
Er war erleichtert, als sich der Beutel mit der eitrigen Flüssigkeit füllte und Itachi sichtlich wieder leichter atmen konnte. Der schrille piepende Alarm erstarb und nur das gleichmäßige piepsen des Herzmonitors erfüllte noch den Raum.
„Gute Arbeit Shuga!“, lobte Dr. Matsu den Eingriff seines Assistenzarztes, lobte auch der Chirurg ihn, eh er ging, hatte Shuga seine Sache sehr gut gemacht. „Danke!“, freute dem jungen Arzt das Lob und damit die verbundene Anerkennung für seine Leistungen.
Konzentriert versorgte er die kleine Wunde um der Drainage, würde diese noch eine Weile verbleiben müssen, um alle überschüssige Flüssigkeit abzuleiten. Noch ein Schlauch mehr, dacht Shuga, steckten in Itachi schon so viele Schläuche und Kanülen.
„Shuga, ich möchte mich bei dir entschuldigen, das ich dich womöglich in Schwierigkeiten gebracht habe, als ich dir Itachi als Patient anvertraute. Ich habe eigenmächtig deine Einarbeitungszeit übergangen, nur um einen Patienten los zu werden. Ich habe damit nicht nur deutlich meine Kompetenzen überschritten, sondern auch meine persönlichen Gefühle über das Wohl eines Patienten gestellt. Dies ist unverantwortlich und dein Großvater hat mich zu recht dafür abgemahnt. Jedoch möchte ich dir gerne erklären, wieso ich dies tat, weshalb ich der festen Überzeugung bin, das ich richtig handelte und auch, das ich heute anders über Itachi denke, als wie noch vor zwei Wochen.“ Shuga sah seinen Vorgesetzen verwundert an, war sein Oberarzt eigentlich nicht der Typ, der sich bei jemanden für irgend etwas entschuldigte oder erklärte. Aber Shuga war es auch neu, das sein Großvater eine Abmahnung gegenüber Dr. Matsu ausgesprochen hatte. Diese Information war bis eben noch nicht zu ihm vorgedrungen gewesen. Leicht nickte Shuga, war er noch zu verblüfft und wusste nicht, was er sonst erwidern sollte.
„Vor vier Jahren, als der schreckliche Clanmord geschah, war ich einer der Ärzte die durch die Häuser gehen musste, um die Leichen zu sichten. Zusammen mit vielen Helfern trugen wird sie alle zusammen und…“, kurz schluckte der Oberarzt und schüttelte kaum merklich seinen Kopf. „Ich habe an diesem Tag über einhundert Totenscheine ausfüllen und unterzeichnen müssen. Totenscheine von Freunden und auch von meinem Mentor. Ich habe es nicht verstehen können, wie jemand seiner eigenen Familie dies antun konnte und war wütend, das es so einfach geschehen und er ungehalten fliehen konnte. Ich und viele andere wollten Gerechtigkeit für die vielen Toten, aber wir hatten keine Macht dazu. Ich bin nur Arzt, war nie auf der Akademie, da ich von Klein an immer Arzt werden wollte. Wie hätte ich meine Gerechtigkeit einfordern sollen?
Als der Chefarzt mir Itachi als Patient übertrug, kamen wieder all die Erinnerungen in mir hoch, all die Trauer und auch die Wut. Ich musste mich sehr zusammenreißen, meine Gefühle mich nicht übermannen zu lassen. Deswegen konnte ich ihn nicht behandeln, wollte ihn einfach nur los werden und da kamst du ins Spiel. Mir fiel ein, das du mich um einen einfachen Patienten batest und es war ja auch nur für zwei Wochen gedacht. Ich dachte das dies schon gehen würde. Das ich damit meine Kompetenz überstrapazierte, war mir in jenem Moment egal. Mir war nur wichtig, das ich ihn nicht gegenüber hatte treten müssen, denn ich glaube, ich hätte mich vergessen.“, schuldbewusst sah er zu Boden und seufzte.
„Ich denke das ich richtig handelte und mit dir auch die richtige Wahl traf. Du siehst ihn als deinen Patienten und nicht als das, was er getan hat. Ich hätte dies nicht gekonnt, trauere ich noch heute um meine verlorenen Freunde. Aber obgleich dies so ist, denke ich heute anders über Itachi.
Wie ich schon sagte, war ich nie auf der Akademie. Ich verstehe nicht sehr viel vom Leben eines Shinobi. Das Seppuke ist für mich etwas, das ich nur schwer begreifen kann. Meine Vorstellung hat sich immer dagegen gesträubt, zu begreifen, wie jemand zu so einem drastischen Mittel greifen kann. In Itachis Fall ist es mir jedoch schlagartig bewusst geworden. Auch ich habe ein Ehrgefühl für meine Familie und für mich, und auch ich würde nicht einfach sterben wollen im Wissen, diese Ehre beschmutzt zu haben.“ Seufzend sah er auf und hinüber zu Itachi.
„Die Schmerzen müssen unvorstellbar gewesen sein und dennoch hat er es vollständig ausgeführt. Ich frage mich, was er in jenen Moment dachte. Ob er an seine Familie dachte und ob sie sein Opfer als gerecht anerkennen. Mir wurde bewusst, welchen Mut und Willensstärke es kostet, so einen Schritt zu wagen und das so eine Entscheidung nicht leichtfertig getroffen werden kann. Natürlich hat er über seine Familie nachgedacht und es als gerechten Weg angesehen, sonst wäre seine Entscheidung recht halbherzig und wenn ich eins über die Uchiha weis, sie tun nie etwas halbherziges.
Er hat sich meinen Respekt verdient und ich verspüre keinen Groll mehr. Und wenn ich an meine Freunde und meinen Mentor denke, dann sehe ich nicht mehr ihre toten Gesichter. Ich erinnere mich wieder an unsere gemeinsame glückliche Zeit, vor all dem schrecklichen. Ich will damit nicht sagen, das ich nicht mehr um sie trauere, aber das Gefühl der Wut ist fort.“
Nun sah er zu Shuga, der ihm schweigend aufmerksam zugehört hatte. „Itachi ist dein Patient und du machst deine Sache wirklich sehr gut. Als dein Oberarzt stehe ich dir gerne zur Seite. Zögere nicht mich zu rufen. Ich werde nicht noch einmal meine Pflicht vergessen. Und als Oberarzt muss ich auch sagen, das ich immer noch der Meinung bin, das ich richtig gehandelt habe. Itachi hat so die beste medizinische Versorgung erhalten und nur dies zählt. Mein persönlicher Ärger diesbezüglich steht dem nicht im Wege.“
Shuga fehlten die Worte. Dies war mehr ein Geständnis, als eine Entschuldigung oder Erklärung. „Es tut mir Leid für ihre Freunde. Ich kann sie durchaus verstehen, das sie unter diesen Umständen nichts mit diesem Fall zu tun haben wollten. Ich danke ihnen für ihr vertrauen in mich und ich nehme gerne ihre Hilfe in Anspruch. Ich habe noch vieles zu lernen. Feldmedizin ist das eine, aber hier im Krankenhaus werde ich mit so vielem Neuen konfrontiert. Vieles ist anders oder wird anders gehandhabt. Ich bin über jede Hilfe dankbar, aber auch über jede Herausforderung.“ Er war mit der Versorgung von Itachi fertig und sah zur Tür und auf den Flur, dachte er an Sasuke, der sich in jenem Moment sicherlich große Sorgen machte. „Ich denke, ich sollte jetzt Sasuke beruhigen gehen. Er hat den Alarm mitbekommen und macht sich sicherlich große Sorgen.“
Der Oberarzt sah ihn an und nickte. „Ich habe dich gestern Abend bei ihm gesehen. Du hast ein gutes Gespür für die richtigen Worte zur richtigen Zeit. Dies ist eine Eigenschaft, die man nicht erlernen kann, sie wird einen in die Wiege gelegt und es ist eine Eigenschaft, die einen guten Arzt ausmacht. Und nun solltest du wirklich gehen.“ Shuga nickte und eilte aus dem Zimmer, konnte er nur erahnen, welche Sorgen und Ängste jetzt durch Sasuke waberten.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://icebluemchen.4lima.de/?p=1051