»

Apr 01 2014

IceBluemchen

Beitrag drucken

01. Gefangen in der Zukunft

Muffiger Gestank von faulem Stroh. Moder in der feuchten viel zu warmen Luft.
Hustend lag Sasuke auf seinem Lager im Gefängnis von Konoha und hing wie jeden Tag und jede Nacht seinen trüben Gedanken nach. Was sollte er auch anderes machen?
Seit mehr als zehn Jahren saß er hier wegen Verrat am Heimatdorf, Mordes am sechsten Hokage und diverser weiterer Delikte die man ihm angehengt hatte ein. Zu wertvoll, um hingerichtet zu werden. Zu gefährlich, um ihn wieder ins Dorf zu integrieren, was er eh nicht gewollt hätte. Zu verworren seine Leidensgeschichte und die gesamte Geschichte des Leides des Uchiha-Clans.
Der vierte Ninja-Krieg hatte lang getobt, forderte zahllose Opfer und zerstörte weite Landstriche. Am Ende gab es keinen wahren Sieger. Tobi der Handlanger von Madara hatte sein Ziel erreicht, hatte letztendlich sich die zwei fehlenden Bijuu schnappen können, was den Tod von Naruto bedeutet hatte. Wirklich nachgetrauert hatte Sasuke diesem Verlust nicht.
Mit Naruto verlor er seinen letzten Führsprecher, war ihm so das Gefängnis und eine lebenslängliche Strafe gewiss. Aber Naruto bedeutete ihm nichts mehr, war dessen Tod im Vergleich zum Verlust von Itachi ein Unterschied wie Tag zu Nacht gewesen. Mit Itachi hatte er seine Familie verloren, seinen geliebten großen Bruder, seinen besten Freund.
Warum hatte er das schreckliche Spiel der Mächte nicht viel früher durchschaut? Warum hatte er nicht auf die Zeichen geachtet, die Teils so deutlich ihm entgegen geschlagen waren? Warum hatte er es so weit kommen lassen?
Seufzend wand er sich um. Wieder quälte ihn ein starker Husten, würde sein armseliges Leben bald vorüber sein, seine schwere Lungenerkrankung würde bald die allumfassende Klaue des Todes um ihn legen und ihn in die Dunkelheit ziehen.
Fürchten tat er sich nicht davor, lehnte jegliche Behandlung ab, begrüßte er gar den Tod mit offenen Armen und einem zufriedenen Lächeln. Tod wäre er ihm nahe, würde ihn vielleicht gar wiedersehen und in die Arme schließen können.
Tag ein Tag aus, Nacht für Nacht… Seine Gedanken gehörten Itachi!
Immer wieder sah er ihn vor sich, wie er ihm voller Schmerz und Qual auf die Stirn tippte und seine letzten Worte an ihn richtete. „Es wird kein nächstes Mal mehr geben!“, hatte er gesagt und plötzlich umspielte seine Lippen ein leichtes zufriedenes gar erlösendes Lächeln. Es war vorüber, sank er tot zusammen, blieb leblos am Boden liegen, alles Leben aus seinen Augen verschwunden.
Tränen rannen Sasuke das Gesicht hinab, hinterließen kleine Spuren im Schmutz der Gefangenschaft. „Warum habe ich es nur soweit kommen lassen? Warum habe ich die Zeichen nicht früher gesehen? Warum hab ich ihn nicht retten können?“
Wieder quälte ihn der Husten, spuckte er Blut, bekam keine Luft…
Seine Gedanken trugen ihn zu jenem Moment, wo er sich ein zweites Mal von seinem geliebten großen Bruder verabschieden musste, noch heute zerriss ihn Itachis letzte Geste und Worte das Herz. Erst hatte er geglaubt, Edo Tensei Itachi würde ihm zum Abschied noch einmal auf die Stirn tippen, so wie er es immer tat, wenn er keine Zeit mehr hatte. Aber anstatt zeigte er Sasuke die wahre Geschichte des Massaker und wie eines zum anderen geführt hatte. „Du musst mir nicht vergeben… und egal was von nun an auch geschieht… ich werde dich immer lieben!“
Dunkelheit nahm ihn ein, nur noch das brennen seiner Lunge hielt ihn bei Bewusstsein. Der Zeitpunkt war gekommen, jetzt oder nie… „Bitte lass alles nur ein schrecklicher Albtraum gewesen sein!“

Langsam schritt Sasuke die Treppen zum alten Uchiha-Versteck empor. Wie ein Déjà-vu kamen ihm diese Schritte vor, aber es war keines. Er hatte diese Treppen bereits einmal erklommen und er wusste genau, was ihn erwarten würde. Jedoch dieses Mal sollte es anders enden, dafür wollte er sorgen, dafür hatte er ein großes Opfer gebracht, dafür blieb ihm nun nicht mehr viel Zeit.

„Lang ist es her, Sasuke! Du bist groß geworden! Und? Stehst du mir heute mit deinem Mangekyou Sharingan gegenüber?“, emotionslos war die Stimme, die Worte von einer Arroganz durchzogen, hatte Sasuke sie genau so in Erinnerung. Alles war gleich und doch fielen ihm jetzt die Anzeichen auf, die er einst nicht wahrhaben wollte, nicht sehen wollte, durch seine Unwissenheit nicht gesehen hatte. Seufzend senkte Sasuke seinen Blick. Längst war er in Itachis Gen-Jutsu gefangen, war ihm dies mehr als bewusst. Jedoch war es egal…
Verwundert musterte Itachi seinen kleinen Bruder, wirkte er gefasster als erwartet. Hass und Rachedurst waren die Gefühle die er in Sasuke glaubte, aber er verspürte keines davon. Schmerz und Traurigkeit beherrschte anstatt Sasuke, ergab dies für Itachi keinen Sinn. Noch vor wenigen Tagen, wo er ihn zu sich geladen hatte, war der Hass mehr als deutlich gewesen. Aber nun…
„Lass die Spielchen, Nii-san!“, schluchzte Sasuke plötzlich auf und sank auf seine Knie. „Ich kenne die Wahrheit! Jedes Detail, einfach alles!“, schniefend schüttelte er den Kopf und wischte einmal mit seinem Handrücken über seine tränengefüllten Augen. „Aber ich weis noch vieles mehr!“, stieß er plötzlich gefasster aus und riss seinen Kopf hoch, sah er Itachi direkt in seine Augen und fing seinen großen Bruder nun seinerseits mit einem Gen-Jutsu ein.
Wie erstarrt ließ Itachi die Bilder aus der Zukunft auf sich wirken. Sasukes düsterer Weg schmerzte ihn, der Hass, die Rache, die quälende Trauer um ihn. Der unerbittliche Krieg und der Frevel des Edo Tensei machten ihn fassungslos, war er vor allem über sein kommendes Schicksal erschüttert. Jedoch das Ende seines kleinen Bruders gefangen und sterbenskrank im Gefängnis Konohas, für Verbrechen bestraft, die er nur aus Trauer und Wut im Sinne der Gerechtigkeit begangen hatte, aber auch für Verbrechen gestraft, die ihm einfach blind angehängt wurden, war er der Sündenbock für eine Verkettung von Intrigen und Verbrechen geworden.
„Otouto, was hast du getan?“, strich Itachi sacht über das Gesicht seines kleinen Bruders und legte so das erblindete linke Auge frei, sah er jedoch, wie sich nun auch Sasukes rechtes Auge trübte. „Izanagi lässt einen, einen Fehler korrigieren. Izanami verändert dein Schicksal, wenn du dich selbst akzeptierst. Hintereinander angewandt, ist es erdacht, aber wenn es gleichzeitig angewandt wird, ergibt es ein ziemliches Weltenchaos. Plötzlich ist alles möglich und nichts mehr wird sein, wie es einst kam. Zeit und Raum spielen keine Rolle mehr, Takama-no-hara. Das Jutsu ist keine Theorie… es funktioniert! Wir gehen zurück zum Anfang, nur das wir wissen, was kommen mag, wenn wir uns wieder für den falschen Weg entscheiden. Nii-san, bitte entscheide weise und lass mein Opfer nicht umsonst gegeben sein!“, in die Dunkelheit greifend, klammerte sich Sasuke an den Mantel seines großen Bruders, zitterte er am ganzen Leib.
Der Preis war groß für die Veränderung der Vergangenheit. Nicht nur das Licht der Augen erlosch, plagte ihn noch immer die Furcht in der Dunkelheit und noch immer konnte nur Itachi ihm seine Angst lindern… Auch der körperliche Verfall in der Zukunft, wirkte sich nun in der neuen Gegenwart aus, erbebte sein Körper in einem Hustenkrampf, quoll Schwall um Schwall Blut aus seinem Mund und er glaubte seine Lunge würde jeden Augenblich zerbersten…

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://icebluemchen.4lima.de/?p=1851