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Jul 29 2012

IceBluemchen

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01. Prolog – Nur mit dem Herzen sieht man gut!

„Nii-san, liest du mir noch eine Gute-Nacht-Geschichte vor?“, fragend sah der kleine Vierjährige seinen großen Bruder an, der ihm mit einem lächeln auf den Lippen und einem zaghaften nicken antwortete. „Deine Lieblingsgeschichte?“, war dies von Itachi mehr eine Feststellung als eine Frage, wollte Sasuke doch immer nur diese eine Geschichte hören… die Geschichte vom kleinen Prinzen.
Gemütlich setzte sich Itachi zu seinem kleinen Bruder ins Bett und begann aus dem schon recht abgegriffenen Buch zu lesen. Hier und da zeigte er Sasuke ein Bild, wenn es zu dem vorgelesenen Abschnitt auch eine Illustration gab, hatten sie bald den Punkt erreicht, an dem Sasuke sich gähnend an Itachi kuschelte und seine Augen allmählich zufielen.
„Und bedenke immer… Man sieht nur mit dem Herzen gut! Das Wesendliche bleibt den Augen verborgen! …“, schmunzelnd schloss Itachi das Buch und löste sich von seinem kleinen Bruder, der friedlich mit einem lächeln auf den Lippen eingeschlafen war. Behutsam deckte er ihn noch zu, legte ihm seinen geliebten grünen Drachen in die Arme und löschte die kleine Leselampe, eh er leise das Zimmer verließ und sich selbst zu Bett begab.

Es frustrierte Sasuke, das er ausgerechnet jetzt in der letzten Phase seines Kampfes gegen seinen großen Bruder Itachi an diese eine kleine Nichtigkeit denken musste. Itachi hatte ihre Familie, ihren Clan ausgelöscht! Warum? Dies blieb Sasuke bis zum heutigen Tage verschlossen. Er wusste nur eines, das was Itachi ihm damals als Grund angab, war eine Lüge gewesen! Genauso wie es immer eine Lüge war, wenn er meinte, er möge ihn nicht…
Das Itachi ihn immer geliebt hat, hatte Sasuke tief in seinem Inneren immer gewusst, egal was Itachi auch unternahm, um den Schein zu trügen. Egal ob er ihn durch diese alberne aber liebevoll gemeinte Geste abwies… egal ob er ihn folterte und weh tat… egal ob er ihn allein zurück ließ und dabei bittere Tränen vergoss… verdammt selbst jetzt bewies er seine Liebe noch, indem er ihn von Orochimaru befreite, obgleich er diesen Umstand doch auch für seinen Sieg hätte nutzen können. Und generell… nicht das Sasuke sich und seine Fähigkeiten schwach einschätzte, aber so wie sein Bruder ihm gegenüber trat, kam es ihm fast vor, als stimme etwas ganz und gar nicht mit Itachi. So manchen Schlag oder Attacke hätte er mühelos ausweichen können müssen, aber er tat es nicht. Und warum hustete er Blut? So schwer hatte Sasuke ihm doch gar nicht zugesetzt, hatte er eher das Gefühl, als habe er seinen Bruder bislang kaum ein Haar gekrümmt. Verdammt, was war hier los? Warum schrei sein Herz plötzlich so laut, das er diesen Kampf unbedingt jetzt beenden und abbrechen müsse, eh es zu spät sein würde.

„Heute Abend möchte ich aus diesem Buch vorgelesen bekommen!“, reichte der kleine Sasuke seinem großen Bruder ein kleines Buch auf dem ein großer grüner Drache und ein kleiner schwächlich wirkender Prinz abgebildet war. Es war ein Gedichtband über eine Freundschaft und tiefe Liebe zweier Geschöpfe, die in der Welt als Feinde galten und sich eigentlich hätten bekämpfen müssen. Aber aus Hass war Liebe geworden… oder war sie schon immer da gewesen, hatte der Hass diese Liebe nur verborgen!?

„Wenn eine Hoffnung stirbt…

Die Sonne steht so tief und sie wärmt nicht mehr,
Den Namen den ich rief, hörst du längst nicht mehr,
Mich binden die Gedanken an, es hörte auf, eh es begann!

Was mir den Atem nimmt, ist ein Schuldgefühl,
Ich weiß, dass dies nicht stimmt, doch das hilft nicht viel,
Und alles ringsumher bleibt stumm, es bleibt zum Schluss nur noch „Warum?“

Wenn eine Hoffnung stirbt und alles in dir kälter wird,
dann bleibt dir selbst nicht einmal die Traurigkeit!

Wenn alles sinnlos scheint, das Leben ist dein größter Feind,
Dann hilft dir auch nicht einmal mehr die Zeit,
auch nicht die Zeit,
und alles ringsumher ist stumm, es bleibt zum Schluss nur noch „Warum?“

Und wenn dein größter Feind verstummt, verstummt auch ein Teil von dir!
Und es bleibt nur noch „Warum?“
Aber die Antwort ist mit deinem Feind verstummt!“

Sasuke hatte die Gedichte aus dem Buch kaum verstanden. Das Buch war für Erwachsene geschrieben, hatte er es auf Itachis Schreibtisch entdeckt und nur ausgewählt, weil ihm der große grüne Drache und der kleine Prinz so sehr an sein Lieblingsbuch erinnerte. Und dennoch hatte er sich oft aus diesem Buch vorlesen lassen, las Itachi die Gedichte mit so viel Gefühl und Hingabe. Er liebte und lebte diese Gedichte, war es Itachis liebstes Buch.

Warum quälten ihn plötzlich diese Gedanken der damalig wundervollen Zeit? Jetzt wo ihr Kampf bald ein Ende nahm, konnte sich Sasuke kaum noch rühren, während Itachi langsam in Susanno’o gehüllt auf ihn zugeschritten kam.
„Hör auf! Ich will dies nicht mehr!“, brach es aus ihm heraus, sprach sein Herz und nicht sein Verstand. „Alles was ich noch will, ist eine wahre Antwort auf das „Warum?“!“, Tränen rannen sein Gesicht hinab, sank er auf die Knie und verbarg sein Gesicht hinter seinen Händen. „Ich kann nicht mehr! Ich will nicht mehr! Mach mit mir, was du willst, aber beantworte mir wenigsten noch ehrlich meine Frage… Warum? Warum musste es soweit kommen?“
Stille, nichts als Stille… nur Sasukes schluchzen war zu hören, war Itachi stehen geblieben und sah mitfühlend auf seinen zusammengekauerten kleinen Bruder. Es tat ihm weh, ihn so zu sehen… verzweifelt und verwirrt, seiner Gefühle nicht mehr Herr. Ein Umstand der Itachi im Handeln lähmte, konnte und wollte er so nicht weiter die Hand gegen seinen kleinen Bruder erheben.
Für Itachi war es nie leicht gewesen, gegenüber seinem kleinen Bruder so zu handeln, wie es die damalige Situation erforderte. Sasuke hatte ihn geliebt und zu ihm aufgesehen… wie könnte er jemanden wehtun, der solch starke Gefühle für ihn hegte. Es war damals erforderlich gewesen, Sasuke auf den Weg des Hasses zu schicken, da er ihn nur so verlassen konnte und um sein heutiges Ende entgegen zu sehen. Aber nun…
Mit Sasukes Kräften war auch sein Hass entschwunden. Stark geschwächt und zu keiner Gegenwehr mehr fähig, war etwas in ihm erwacht, das Itachi als zerstört geglaubt hatte. Jedoch es war dort, der kleine Funke an Liebe der Sasuke zur Aufgabe bewegte.
Kraftlos ließ sich Itachi vor seinem kleinen Bruder auf die Knie sinken und atmete mehrmals tief ein und aus. Jeder Atemzug brannte wie lodernde Flammen in einem Inferno, hatte er seinem Körper zu viel abverlangt. Aber er hatte bis eben auch sein Ende vor Augen gesehen, war alles Hoffung auf eine positive vielleicht gar glückliche Zukunft damals mit seinem Clan gestorben… oder auch nicht, hatte ein kleiner Funke überlebt. Sollte seine Liebe zu Sasuke heute seine Rettung sein?
„Die Antwort auf das „Warum?“ ist nicht einfach gegeben!“, antwortete er mit leiser heiserer Stimme, schmerzte ihm auch das sprechen. „Sie wird dir wehtun, vielleicht wirst du sie gar nicht glauben wollen. Letztendlich musst du hier und jetzt die Entscheidung für dich allein treffen. Die Wahrheit auf die Frage „Warum?“ oder es beenden!“, leicht hob er seine Hand und hielt sie Sasuke so hin, das er sie entweder ergreifen oder von sich schlagen könnte. „Es ist deine Entscheidung! Ich wehre mich nicht gegen sie, fehlt mir dazu einfach die Kraft!“
Es erstaunte Sasuke, das sein großer Bruder seine Schwäche so offen vor ihm zugab und ihm einladend seine Hand hinhielt. Er brauchte nur entscheiden und sie zu ergreifen. Ein Handschlag würde seinen Bruder an sein Wort binden und ihm die Wahrheit erzählen. Ob er diese Wahrheit dann glauben wollte oder nicht, letztendlich könnten sie am Ende ihren Kampf erneut aufnehmen und es immer noch zu Ende bringen.
Ja, dachte Sasuke. Dies war eine Entscheidung, mit der er und sein Gewissen leben konnten. Er würde seinen Bruder anhören und im Anschluss entscheiden, ob er es glauben mag oder nicht und entsprechend, ob er seinen Bruder doch noch tötete oder eben nicht.
Wie Itachis Hand, zitterte auch Sasukes Hand, als er seine Entscheidung traf und sie zum Handschlag reichte. Kalt war die Hand seines großen Bruders, umfing sie seinige mit einem zaghaften Griff.
Im nächsten Moment wurde Sasuke schwarz vor Augen und sein letzter Gedanke war, wie er eigentlich so dumm sein konnte, seinem Bruder auch nur einen Moment zu vertrauen…

Author’s Notes:

Zitate:

Im ersten Gedankenabschnitt von Sasuke stammt das vorgelesene Zitat aus dem Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry.

„Wenn eine Hoffnung Stirbt“ – Peter Maffay aus dem Album „Tabaluga und Lili“, ich habe den Songtext etwas angepasst und einige wenige Passagen durch eigene Worte ergänzt.

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