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Jan 11 2011

IceBluemchen

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01. Verdonnert

Kaum war ich einen Tag hier, wollte ich auch schon wieder nach Hause! Weg von diesem dunklen und bedrückenden Ort, der nicht umsonst den Namen Düsterwald trug. Und weg von diesem Elb! Weg von Legolas!

Das Königsschloss war zwar umgeben von einem herrlichen Garten, in dem Blumen, Büsche, Bäume und Pflanzen aller Arten und Farben wuchsen, schaute man jedoch hinter die große Schlossmauern, so sah man nur noch düsteren und bedrohlichen Wald, soweit das Auge reichte. Mein Vater erklärte mir, das die Stadt der Elben vom Schloss aus nicht so düster wirkte. Und er hatte recht. Hinter dem großen Schloss befand sich ein zweiter Ring, wo eine größere Elbensiedlung zu erkennen war. Sie reichte bis an den Fluss und anstelle einer Mauer, war sie von einem hohen Wall umringt. Dieser war mit Wachtürmen bespickt und es gab am Fuße des Walls Befestigungsanlagen, die wahrlich beeindruckend waren.
Dennoch, wie konnte man hier nur sein ganzes unsterbliches Leben verbringen wollen? Es war mir ein Rätsel! Allerdings erklärte es auch, warum der Prinz von Düsterwald so sonderbar wirkte. Vielleicht deprimierte selbst ihn dieses Umfeld?

Schon am Tage unserer Ankunft im Schloss benahm sich der Prinz sehr eigenartig.
Von Thranduil wurde mein Vater warm willkommen geheißen. Lange war ihr letztes Treffen her, über zwanzig Jahre! Der Weg von Rohan war für einen Menschen recht lang und Beschwerlich und da die Straßen schon seit lange nicht mehr sicher waren, musste es schon einen guten grund geben, um sich diese Strapazen aufzuhalsen.
Ich stand etwas abseits und nutzte die Zeit um die gigantische Eingangshalle des Schlosses zu betrachten. Die schneeweiße, kuppelförmige Decke wurde von vielen Säulen gestützt. Sie hatte die Form junger Baum die über und über mit rankendem Blätterwerk umschlungen waren. Vielleicht Efeu oder etwas ähnliches dachte. Bogenförmige Fenster ließen das Sonnenlicht in die Halle fluten und tauchten die ganze Szenerie in warmes gelb und grün. Ein unvorstellbarer Kontrast zu dem dunklen Wald, durch den wir eben erst geritten waren.
„Und wer ist diese hübsche junge Lady, Aromer, mein Freund?“ Thranduils fragender Blick, der auf mir lag, riss mich aus meinen Betrachtungen. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass der König inzwischen nahe an mich heran getreten war und ich ihm nun geradewegs in die blauen, forschenden Augen schauen musste.
Er war riesig und sein dunkelbraunes langes Haar war kunstvoll geflochten und in einer elbentypischen Krone eingearbeitet. Wie die Elben dies hinbekamen, war mir ein Rätzel.
„Dies ist Minuil, meine Tochter.“ Der Stolz in der Stimme meines Vaters erfreute mich.
„Deine Tochter? Fürwahr, lange Zeit ist vergangen da wir uns das letzte Mal trafen!“, Thranduil betrachtete mich mit einem für Elben recht verblüfften Gesichtsausdruck. Seine feinen Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. Ich schien ihm zu gefallen.
„Ihre Mutter muss eine wahre Schönheit sein, Aromer.“ Ich merkte, wie ich leicht errötete. Ein Kompliment, und dazu noch von einem Elben, der täglich von den schönsten Geschöpfen Mittelerdes umgeben war. In Vergleich zu den wunderschönen Elben musste ich wie ein Bauerntrampel aussehen, in meinem schlichten Kleid, wie es die Frauen in Rohan zu tragen pflegten und mit meinen blonden Haaren, die nur mit einem Lederriemen zusammengebunden waren.
„In der Tat, das ist sie. Bedauerlicherweise konnte sie uns auf unserer Reise nicht begleiten. Zu gerne wäre sie bei dieser Feier dabei gewesen. Aber mein jüngster Sohn Aro ist noch zu klein für diese lange beschwerliche Reise und so entschied sie, daheim zu bleiben.“
Diese Feier, das war die Hochzeit von Thranduils Tochter Arie mit dem Elben Elias, die in einer Woche stattfinden sollte. Aus vielen Länder und Königreichen waren die Gäste eingeladen worden um dieses Ereignis gebührend zu feiern, obwohl es sich bei Arie nicht um den Thronfolger des Reiches, sondern nur um seine einzigste Tochter handelte. Im Heimlichen fragte man sich sowieso, wann der Kronprinz Jolan und der jüngste Prinz Legolas, denn endlich die Dame ihres Herzens erwählen würden. Die Untertanen und auch das Königspaar selbst, wurden langsam ungeduldig. Na ja, bei Jolan konnten sie fast jedes Jahrzehnt mit einer Frau rechnen, da er als Frauenheld bekannt war, aber Legolas…?
„Nun denn, man wird euch zu euren Gemachen bringen, wo ihr euch frisch machen könnt und dann müsst ihr unbedingt meine Kinder kennen lernen.“ Thranduil verbeugte sich kurz, aber elegant und verschwand, während eine Elbe wie aufs Stichwort aus einer Ecke gehuscht kam und uns zu unseren Zimmern brachte. Es war ja nicht so, das mein Vater die drei Königskinder nicht kannte, doch bis auf ihre Namen waren sie für mich fremd.
Für das Abendessen hatte ich mein Reisegewand gegen ein etwas eleganteres Kleid eingetauscht und eine Elbe geleitete mich zum Festsaal, wo schon einige Gäste versammelt waren. Ich erspähte meinen Vater am Tisch des Königs sitzen und eilte zu ihm hinüber, unsicher durch die Blicken, die mir folgten und mich von oben bis unten musterten. Neben meinem Vater fühlte ich mich etwas sicherer, wenn auch ein Elb, der neben Thranduil saß, seinen Blick minutenlang nicht von mir abwandte und mich bis zum kleinsten Detail zu mustern schien.
Ich fühlte mich unwohl und mied den Blick des Elben, denn ich hatte das Gefühl, als wolle er mir in die Tiefe meiner Seele schauen. Schließlich wandte er sich ab und begann ein Gespräch mit einem Elben der neben ihm saß.
Ich hörte nicht zu, das Gespräch plänkelte im Hintergrund, vielmehr hatte ich wieder mal damit zu tun, den Saal zu bewundern. Dieser Saal musste tiefer liegen, als die Eingangshalle. Nur unterhalb der Decke gab es Fenster. Sie reichten etwa ein viertel der Gesamthöhe hinunter. Der ganze Saal wirkte, als bestände er nur aus Säulen, die dicht an dicht standen. Doch als ich sie genauer betrachtete, sah ich, das es kunstvoll verzierte Wurzen waren. Im Saal waren wunderschön gedeckten Tischen und silbernem Geschirr und kristallenen Gläsern. Einige der Hochzeitsgäste waren bereits eingetroffen, jedoch schienen noch etliche zu fehlen. Zum Beispiel konnte ich keinen Zwerg ausmachen, obschon mein Vater mir gesagt hatte, dass sie auch zu der Hochzeit geladen waren. Er fügte zwar noch an, das diese Einladung eher aus Höfflichkeit gegenüber den Zwergen ausgesprochen wurde, aber insgeheim hatte ich auf eine Begegnung mit Zwergen gehoft. Eine Gesandtschaft aus Bruchtal war jedoch schon da, unweit an unserem Tisch saßen Arwen, Elrond und seine zwei Söhne, begleitet von anderen Elben. Auch Rohans Gesandtschaft war vollzählig vertreten, durch König Theomer, seinen Sohn Theohold und natürlich durch Vater, den engsten Berater des Königs von Rohan, und mich. Ich beobachtete die Gäste weiter, bis ich meinen Namen hörte: „Minuil?“ Ich schreckte hoch und sah fragend in die Runde.
„Ja?“
„Dies ist mein Sohn Legolas.“ Dabei deutete Thranduil doch tatsächlich auf diesen Elb, der mich eben angestarrt hatte. Zum ersten Mal sah ich ihn genauer an – und musste feststellen, dass er einer der schönsten Elben war, die ich bisher gesehen hatte. Lange blonde Haare umrahmten sein blasses Gesicht, dessen Haut so weich und zart wie Samt erschien, zwei dunkelblaue Augen sahen mich forschend an, obschon sein Gesichtsausdruck weiterhin gelassen blieb. Er war kleiner als sein Vater und sah ihm auch nicht so ähnlich. Legolas schien eher nach seiner Mutter zu schlagen, als nach seinem Vater.
„Es ist mir eine Freude, eure Bekanntschaft zu machen.“ Erklärte Legolas knapp und scheinbar emotionslos.
„Ich habe mir gedacht, mein Sohn könnte euch morgen das Schloss und den Garten zeigen, damit ihr euch nicht allzu sehr langweilt.“ Aus Thranduils Mund klang dieser Vorschlag mehr wie ein Befehl als wie ein Angebot. Daher nickte ich und dankte ihm. Jedoch war mir nicht recht wohl dabei, mit Legolas viel Zeit zu verbringen, denn scheinbar war er auch nicht erpicht darauf. Sein Mund verzog sich fast unmerklich, jedoch fasste er sich schnell wieder und ich konnte nicht genau ausmachen, ob es nun Missfallen oder Vorfreude gewesen war.
„Und dies ist Jolan, Kronprinz von Düsterwald.“ Stellte Thranduil mir dann den großen Elb neben Legolas vor. Jolan kam ganz nach seinem Vater. Groß und dunkelhaarig. Er schien etwas betreten zu sein, aber seine Stimme war lieblich wie Honig. „Es freut mich eure Bekanntschaft zu machen! Und falls euch mein kleiner Bruder morgen zu sehr nervt, dann scheut nicht davor zurück zu mir zu kommen, meine Teuerste.“ Er lächelte mich mit einem verführerischen Blick an und ich errötete. Dies war ihm wohl Antwort genug, denn er wand sich nun Legolas zu und zwinkerte ihn an. Dieser schaute ihn mit einem vernichtenden Blick an, den selbst Gebirge zum Einsturz hätte bringen können. Doch Jolan lächelte nur weiter und ignorierte den finsteren Blick Legolas.
„Leider kann ich euch meine Tochter Arie nicht mehr vor der Hochzeit vorstellen. Sie ist so sehr in den Hochzeitsvorbereitungen gefangen und möchte nicht gestört werden!“ Bedauerte Thranduil, aber ich konnte das sehr gut verstehen. Bestimmt war sie sehr aufgeregt und hätte überhaupt keinen Kopf für neue Bekanntschaften.
Den Rest des Mahles verbrachte ich schweigend, immer wieder Legolas scheinbar prüfende Blicke auf meinem Ich spürend. Umso erleichterter war ich, als die Tafel aufgehoben wurde und ich mich mit der Entschuldigung der Müdigkeit in mein Zimmer verziehen konnte.
Die ganze Nacht lang hatte ich nicht gut geschlafen. Zu ungewohnt war das Bett und zu besorgt mein Herz, wenn es an den morgigen Ausflug mit Legolas dachte. Wie ein Störenfried kam ich mir vor. Legolas, von seinem Vater dazu verdonnert, sich um die kleine Tochter seines Freundes zu kümmern, obwohl er besseres mit seiner Zeit anzufangen wusste. Prima!
Nun stand ich hier am Fenster, übernächtigt und aufgeregt, jedoch beruhigte mich die Aussicht auf die Elbensiedlung und die frische Morgenluft, die vom Garten her hinüber wehte, ein wenig. Was war schon dabei, einen Rundgang über das Anwesen zu machen? Ich konnte Legolas ja schnell wieder entlassen. Meinetwegen musste er nicht die ganze Zeit mit mir verbringen, wenn er nicht wollte. Warum war ich also aufgeregt?
Es klopfte. Ich strich mir noch mal die Haare glatt, antwortete dann: „Herein!“
„Guten Morgen, Minuil, seid ihr bereit für unseren Ausflug?“ Legolas trat ein. Er schien etwas bessere Laune zu haben als am Abend zuvor.
„Ja.“ Auf geht’s! dachte ich sarkastisch und folgte dem Elb, der mir galant die Tür aufhielt und mich schließlich nach draußen führte.

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