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Sep 25 2011

IceBluemchen

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09. Seppuke

Sasuke rannte, hing davon so vieles ab.
In den letzten Tagen hatte er so viel über seinen Bruder und das Geschehene nachgedacht. Immer wieder sah er die grausamen Bilder vor sich, wie seine Eltern in ihrem Blut im Hauptraum lagen. Gerichtet von ihm, seinen großen Bruder Itachi. Noch heute verkrampfte sich sein Herz, wenn er an die grausamen Bilder gefangen im Tsukuyomi dachte. Fassungslos hatte es ihn damals gemacht, hatte er die Beweggründe nicht verstanden. Warum hatte Itachi dies getan und den gesamten Clan, bis auf ihn ausgelöscht? Warum hatte er ihn von sich gestoßen und allein zurück gelassen?
Damals dachte er, er tat es, um ihn leiden zu sehen, weil er ihn so abgrundtief hasste, weil klein Sasuke ihm die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Vaters nahm. Heute wusste er es besser. Er hatte ihn verschont, weil er ihn geliebt hatte und beschützen wollte. Er hätte ihm niemals etwas antun können.
Er nannte es einen Fehler, ihn Hassen zu lassen. Er hatte ihn geliebt und liebte ihn noch immer. Er tat alles für ihn und so sollte es heute enden, er für immer aus seinem Leben scheiden und ihn nie mehr weh tun. Hatte Itachi den Hokage vielleicht gar um die Hinrichtung gebeten?
Tränen rannen Sasuke das Gesicht hinab, verschwamm seine Sicht, hielt es ihn jedoch nicht auf. Sein Bruder sollte für seine Tat sterben, aber dies wollte Sasuke nicht. Er wollte das Urteil des Hokage nicht anerkennen, egal mit welcher Schuld Itachi auch beladen war.
Sasuke liebte Itachi sehr, tat es immer, hatte sein Hass es nie geschafft, die Liebe zu besiegen. Allein diese Erkenntnis reichte aus, um eine Hinrichtung entgegenzuwirken, auch wenn er sich mit seinem Widerspruch vielleicht selbst schuldig machte. Es wäre ihm egal, solange er Itachi nur nicht verlor.

„Halt bleib stehen!“, rief ihm ein ANBU entgegen, wollte ihn vom Park fernhalten, sollte niemand das Ritual stören. Aber Sasuke ließ sich nicht beirren und wich dem ANBU aus, kämpfte sich stetig durch ihre Reihen, sprang über sie hinweg oder schlüpfte durch ihre Griffe hindurch, überwand Absperrungen und gelang immer näher zu dem Bereich des Parks, wo er seinen Bruder und dessen Henker vermutete.

Alles um sich herum sperrte Itachi nun aus. Jetzt zählte nur noch er und sein Handeln. Ruhig sah er auf die Klinge die federleicht in seiner Hand lag. Blanker kalter Stahl, zu einer filigranen und doch starken Klinge geformt, zeichnete sein Spiegelbild.
Blass war er, bereits leicht gezeichnet von seiner Krankheit. Vielleicht hätte man noch nichts gesehen, wenn er sich richtig behandeln lassen hätte. Aber was sollte diese Verschwendung?
Fest nahm er das Heft der Klinge in die Hand, umschlossen seine Finger das geflochtene Leder über Stahl.
Langsam führte er das Wakazashi an den Punkt, den ihm der Shint?-Priester gewiesen hatte, wo er den ehrbaren Schnitt ansetzen musste. Kurz zuckte er, als er die Spitze der Klinge dort spürte. Aber er durfte jetzt nicht verzagen.
Ein letztes mal müsste er all seinen Mut und Stärke beweisen. Ein letztes mal das tun, war er sich selbst abverlangte. Ein letztes Mal sich aufopfern…

Vater vergib mir meine Schuld,
Jedoch sah ich keinen anderen Weg… Vergib mir!
Mutter verzeih mir meine Schuld,
das ich deine Mut zusprechenden Worte keiner Hoffnung schenkte… Verzeih mir!

Sasuke…
Ich vermisse dein Lachen, deine strahlenden Augen, deine glückliche Stimme, unsere gemeinsame Zeit.
Ich liebte dein Lachen, deine leuchtenden Augen, deine fröhliche Stimme, unsere gemeinsame zweisame Zeit.
Sasuke vergib mir, verzeih mir, entschuldige mein Versagen.
Ich liebe dich!

Sein Atem stockte, als die Klinge in sein Fleisch drang und ein unbändiger Schmerz über ihn rollte. Starr wurde sein Blick, hielt er eisern seine ruhige Miene, durfte er keine Schwäche und Schmerz nach außen zeigen.
Er musste es beenden, nur noch einmal alles ertragen. Mit einem letzten Ruck fuhr er die Klinge über seinen Bauch…
Dann war es geschafft. Er hatte den Ritus befolgt, seine Ehre zurück erhalten und seine Blutschuld gesühnt.
Er wagte es nicht zu atmen, spürte wie das Leben aus ihn herausrann, begann sein Körper zu zittern und seine Sicht verschwamm zu einem wabernden Nichts, fiel die Klinge kraftlos aus seiner Hand und leicht klirrend zu Boden. Entglitt ihm sein letzter Gedanke an Sasuke, war sein Kopf nun leer und er fühlte sich allein in der Einsamkeit.
Nun war der Zeitpunkt der Erlösung gekommen, wollte er nicht mehr allein sein, wollte er endlich Heim. Er wollte endlich nach Hause.
Langsam sackte sein Kopf auf seine Brust, sah er nur noch rotes Leben auf unschuldigem Weiß. Dies war nun das Zeichen an seinen Kaishaku, an Kakashi, das es soweit war den erlösenden Schlag auszuführen und ihm seine ehrbare Ruhe zu geben…

Stille dominierte den Ort der Ehre, wagte kein Shinobi zu sprechen oder einen anderen Laut von sich zu geben, als das Ritual des Seppuke in die Endphase überging. Sie alle, die als Zeugen diesem traurigen Schauspiel beiwohnten, wussten um das schleichende Schicksal des jungen Shinobi, der so viel Leid und Schuld auf sich geladen hatte und dies in seinem kranken geschundenen Körper nun auch sichtbar nach außen zeigte. Seine blasse Haut, die leichten violetten Augenringen, sein ausgemergelter Körper. Und obwohl er so geschwächt wirkte, blieb er dennoch bis zum Schluss ruhig, ertrug den Schmerz ohne eine Miene dabei zu verziehen, erstarrte sein Gesicht lediglich und es schien, als würde er es nicht mehr wagen zu atmen.
Respekt und Mitleid dominierte ihre Gefühle. Respekt dies durchzuziehen und so ehrbar durchzustehen. Der Schmerz musste unermesslich sein, fragten sie sich, wie er dies durchstand ohne zu schreien oder eine Träne zu vergießen. Wie versteinert wirkte das gezeichnete Gesicht, mit leerem Blick sah er in die Ferne, war sein Geist bereits nicht mehr dort.
Mitleid das es so enden musste. Plötzlich war die schwere Blutschuld vergessen und sie sahen nur noch einen mutigen starken und doch schwachen ausgezehrten Shinobi vor sich. War dies das, was der Shint?-Priester gemeint hatte, das sie nach dem Seppuke die Blutschuld nicht mehr sehen werden? War dies der Blick auf das Wahre? Sahen sie nun Itachi, wie er war und gehen würde… In Ehre und unter größten Respekt… Ein empfindsamer trauriger Junge voller Leid und Schmerz, zerbrochen und des Lebens müde geworden…

„NEIN!“, schrie Sasuke, als er den Kopf seines Bruders auf dessen Brust sinken sah und wie Kakashi nun das Katana erhob, um den erlösenden Schlag auszuführen.
Hatte er gedacht, sein Bruder sollte heute Hingerichtet werden, erkannte er nun, das dies hier ein Seppuke war. Der ehrbare Selbstmord, passte dies mal wieder zu Itachi, dachte er nicht an sich, sondern nur an andere, nur an Sasuke. Er würde die verlorene Ehre zurückgewinnen, würde die Schande des Clan aufheben.
Jedoch dies wollte Sasuke nicht, war ihm die Ehre in diesem Moment vollkommen egal. Hier zählte nur das Leben seines Bruders, das in roten Strömen aus ihm heraus ran und ihn davon trug.
Verwirrt sahen alle auf den weinend schreienden Jungen, der nun auf Kakashi zusprang und sich zwischen seinen Bruder und das niedersinkende Katana warf. Geschockt sahen sie, wie sich die Klinge tief in Sasukes rechte Seite schnitt, hatte Kakashi den Schlag nicht mehr abbrechen können.
Aufschreiend stürzte Sasuke zu Boden, hielt sich seine Seite, wo nun eine tiefe stark blutende Wunde klaffte. Tränen rannen sein Gesicht hinab, aber seine Gedanken waren immer noch mehr bei Itachi als bei sich selbst und so robbte er an seinen Bruder heran, der im selben Augenblick stöhnend vor Schmerz zur Seite kippte.
Auge in Auge, Blut in Blut, lagen sie sich gegenüber. Mit zittriger Hand ergriff Sasuke die Hand seines Bruders, spürte nicht, wie Kakashi seine Hände auf die Wunde presste, versuche die starke Blutung im Zaum zu halten und ihm zusprach, er solle durchhalten.
„Nii-san nicht sterben! Bitte nicht sterben!“, flehte Sasuke flüsternd. Tränen voller Angst und Schmerz liefen über sein Gesicht.
Kakashi sah auf Itachi, aus dessen Bauchwunde Unmengen an Blut quoll. Ein furchtbarer Anblick und er wusste, das Itachi längst unter Schock stand und nur deshalb noch nicht das Bewusstsein verloren hatte.
Auch Itachi weinte, sah er nur Sasukes Gesicht und fühlte sich plötzlich so glücklich. Seine Hand zu spüren, nahm ihm die Einsamkeit. Er war da, er war bei ihm! Seine Lippen formten stumme Worte, fehlte ihm die Kraft für irgend einen Laut. Aber Sasuke verstand. „Ich liebe dich auch!“, flüsterte er mit geschwächter Stimme.
Ein schmerzliches Lächeln huschte über Itachis Züge, taten ihm diese Worte so gut, war es alles, was seine Seele für ihren Frieden verlangte. Auch Sasuke rang sich ein Lächeln im Schmerz ab, eh ihnen beiden die Augen zufielen und nichts mehr um sich herum wahrnahmen…

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