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Sep 25 2011

IceBluemchen

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03. Brüder

Erst geschockt, dann blanke Wut, war in Sasukes Augen geschrieben. Hatte er Naruto für seine Vorlaute Art rügen wollen, stand er nun seinem großen Bruder gegenüber und all sein Hass schwank an die Oberfläche.
„Du!“, presste er verbissen und hasserfüllt hervor und schon sprang er auf Itachi los. Vor vier Jahren hatte er Rache am Mord seiner gesamten Familie und Clan geschworen. Hart hatte er dafür gelernt und trainiert, auch wenn ihm die abgeänderten Vorschriften des Hokage weit zurückwarfen.
Nur kurz nach dem Massaker hatte Hokage Sarutobi die Akademieordnung verändert. Nun musste ein jeder Schüler mindestens drei Jahre die Akademie besuchen, eh er die Prüfung zum Genin machen durfte. Aber auch für diese Prüfung gab es Vorschriften, so durfte sie nicht vor dem zwölften Lebensjahr abgenommen werden und für die Zulassung zur Chunin-Auswahlprüfung brauchte man nun die Zustimmung des jeweiligen Teamleiters, dem man zugeteilt war. Alles im allen sah Sasuke sich in seiner Entwicklung dadurch stark eingeschränkt, konnte er so niemals mit seinem Bruder gleichziehen und bereits mit dreizehn Jahren ein Jonin sein.
Wütend zog er im Sprung ein Kunai und warf erste Shuriken. Aber Itachi wich geschickt aus und ergriff Sasukes Hand, eh sie ihm überhaupt gefährlich werden konnte. In einer schnellen Drehung, sah sich Sasuke entwaffnet und kampfunfähig seinem Bruder gegenüber.
Abweisende Kälte hätte Sasuke erwartet, aber Itachis Blick war sanft und leicht betrübt. Es war der traurige sanfte Blick, den er auch immer gehabt hatte, wenn er wieder einmal keine Zeit für seinen kleinen Bruder fand und ihn liebvoll abwies.
Abweisung, Sasuke hatte es immer gehasst. Immer wurde ihm sein großer Bruder weggenommen, musste er auf eine Mission oder sein Vater wollte, das Itachi härter trainierte, wo Sasuke nur im Wege wäre.
Abweisung, Hass und eine tief angestaute Wut, umgab sein Herz. Aber dieser Blick, der bestimmende feste Griff, der ihn wehrlos machte und doch keine feindliche Absicht erkennen ließ.
Und obwohl Sasuke es nicht wollte, krampfhaft dagegen ankämpfte und am liebsten laut aufschrie, blieb er stumm und erste Tränen rannen sein Gesicht hinab. Was nützte Abweisung, Hass und Wut, wenn die Liebe stärker war.
Er fühlte sich schwach, sah er sich darin konfrontiert, das er dieses störende Gefühl noch immer nicht in sich getötet hatte. Er hatte es versucht, Liebe gegen Hass zu tauschen, aber er konnte es einfach nicht.
„Itachi-san!“, schluchzte er und im nächsten Moment spürte er, wie sein großer Bruder ihn sanft in seine Arme zog und fest an sich drückte.
Keine Abweisung, kein Hass, keine Wut… Nur Liebe und viel zu viele Fragen, beherrschten nur noch diesen Moment.
Itachi genoss es, Sasuke fest in seine Arme zu schließen. Er hatte ihn so sehr vermisst und es tat ihm so leid, das er ihn auf einen dunklen Pfad aus Wut und Rache schicken wollte. Erst in den letzten Tagen war ihm bewusst geworden, das er so seinen kleinen Bruder nur zerstörte. Rache und Wut waren noch nie ein guter Weg. Er hätte es doch schon damals wissen müssen.
Fest krallte sich Sasuke ins Shirt seines Bruders, schluchzte und weinte bitterlich. Alles war in jenem Augenblick um sie herum vergessen. Kein Hokage, der einen erschrockenen und kampfbereiten Kakashi zurückhielt. Kein verwundert dreinschauender Naruto, der sich fragte, wer dieser fremde Ninja eigentlich war, der Sasuke zum heulen brachte. Keine irritierte selbst den Tränen vor Rührung nahe Sakura. Jetzt waren nur sie und das tiefe starke Gefühl der Verbundenheit allein für sie da.
„Ich habe dich so sehr vermisst. Bitte vergib mir, das ich dich allein ließ, dir weh tat und in den Glauben ließ, ich würde dich hassen. Ich liebe dich so sehr, Otouto! Bitte vergib mir!“, flüsterte Itachi, sodass es nur Sasuke hören konnte und auch wenn ihm die Worte wie durch einen rauschenden Wasserfall erreichten, sein Inneres sie nur langsam an sich heran ließen, so nickte er kaum merklich.
Aber jeder Augenblick hatte ein Ende, spannte Itachi sich plötzlich an und löste Sasuke aus der Umarmung. „Es tut mir leid, aber ich muss nun gehen!“, sprach er sanft und strich seinem kleinen Bruder liebevoll durchs Haar.
Sasuke sah ihn betrübt an, keimte langsam wieder die Wut in ihm auf, sollte er wieder abgewiesen werden. Sein Blick viel auf die vier ANBU die wie aus dem Nichts hinter Itachi aufgetaucht waren, um ihn in Gewahrsam zu nehmen. Sasuke wollte etwas sagen, wollte dagegen protestieren, wollte Itachi anschreien, das er nicht einfach kommen und gehen konnte, wie es ihm passte und ihn in ein Gefühlschaos aus Liebe und Hass stürzten durfte.
Jedoch in jenem Moment sah er, wie Itachi sein Stirnband abnahm. Es war ein besonderes Band, war es ein gefaltetes Tuch, das als Band oder als Kopftuch getragen werden konnte. Itachi hatte es einst von ihrem Cousin Shisui erhalten und immer in Ehren gehalten, niemals abgenommen und bis aufs Blut verteidigt.
Behutsam nahm er Sasukes Hand und schloss dessen Finger um das Stirnband. „Vergib mir, das ich dir weh getan habe. Es tut mir alles sehr leid und wird nie mehr vorkommen. Du siehst mich heute zum letzten mal, ein nächstes mal kann und wird es nicht geben, Otouto.“ Sanft strich er erneut durch das zerwuschelte Haar und lächelte schwach.
Sasuke konnte ihn nur verständnislos ansehen, begriff er die Tragweite der Worte einfach nicht. Einen schwachen Hauch auf seiner Stirn spürend, erstarb die Wut wieder in ihm und erfüllte sein Herz mit Liebe.
„Lebe wohl und sei glücklich, Sasuke!“ Sanfte herzliche Worte, eine letzte Berührung, sich entfernende Schritte.
„Nii-san, nein! Bitte geh nicht!“, rief Sasuke ihn unter Tränen nach, wollte er nicht, das Itachi ging. Für immer ging, wie es ihm langsam immer bewusster wurde.
Itachi wand sich zwischen den ANBU ein letztes mal zu seinem kleinen Bruder um. Auch ihm liefen nun Tränen das Gesicht hinab, aber es gab kein zurück. Sein Leben war vorbei, ob er blieb oder nicht. Er wollte Sasuke nicht weiter wehtun und dies würde er unweigerlich, wenn er bliebe.

Fort, abgeführt von den ANBU, starrte Sasuke auf die leere Tür, durch die sein großer Bruder weggebracht wurde. Er wusste nicht wohin sie ihn bringen würden. Als S-Rang Nuke-Nin wahrscheinlich direkt ins Gefängnis, aus dem es kein zurück gab.
Unbemerkt und ungehindert rannen weitere Tränen sein Gesicht hinab. Er hatte Itachi weinen gesehen, so wie er ihn damals weinen sah, als er ging und ihn alleine zurück ließ. Immer hatte er geglaubt, sich geirrt zu haben. Aber nun war er sich sicher, das Itachi auch damals geweint hatte.
„NII-SAN!“, schrie er verzweifelt in die Leere und sackte in sich zusammen. Weinend lag er auf dem Boden und merkte nicht, wie sein Sensei an ihn herantrat. Er füllte sich in jenem Augenblick so allein und verlassen. Damals war er mit einem Ziel zurückgelassen worden. Hass, Wut, Rache waren was ihn voran brachten, ihn zu Höchstleistungen antrieb und zu dem unnahbaren Jungen machten, der er nach Außen war. Aber in seinem Inneren tobte all die Zeit der Zwiespalt zwischen Hassen und Lieben. Ein ständiger Kampf, wo er selbst die Liebe zum Verlierer bestimmte.
Aber nun war alles anders. Überraschend hatte die Liebe zugeschlagen und den Hass im Nichts verschwinden lassen. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube, liebte Itachi ihn genauso sehr, wie er ihn liebte.
Er sollte verzeihen, würde ihm nie mehr wehgetan werden, würde er ihn nie mehr wiedersehen… Alles in Sasuke zog sich schmerzlich zusammen und löste einen neuen Schwall Tränen aus. Er fühlte sich so verlassen, einsam und allein.

„Hey Sakura, weist du wer der Junge war, der von den ANBU weggebracht wurde?“, fragte Naruto leise seine Teamkameradin voller Neugier, hatte er den Shinobi zuvor noch nie gesehen gehabt.
„Ich bin mir nicht ganz sicher…“, gab Sakura zu. Sie hatte das leise Gespräch zwischen Sasuke und Itachi kaum verstanden, aber sie hatte mitbekommen, das der Ältere Sasuke Otouto nannte. Konnte dies etwa wirklich bedeuten, das sie eben Sasukes älteren Bruder und Massenmörder Itachi Uchiha gegenüber stand. Leicht wurde ihr flau im Magen und fragen sah sie zu Kakashi, der neben Sasuke kniete und irgend etwas leise auf ihn einredete.
„Meister Hokage, wer war dieser Shinobi eben und warum wurde er von den ANBU abgeführt?“, fragte Naruto dreist den alten Mann, wollte er endlich wissen, wer da die Meisterleistung vollbracht hatte und den Eisberg Sasuke zum schmelzen und heulen gebracht hatte.
„Dies war mein großer Bruder Itachi…“, antwortete jedoch Sasuke, der sich nun aufsetzte und die Tränen fortwischte, eh er wieder seinen kalten emotionslosen Blick aufsetzte und Naruto damit fixierte. „…und er hat in nur einer Nacht 137 Menschen… Männer, Frauen, Greise, Kinder… eiskalt umgebracht. Er ist der Mörder meines Clans, des Uchiha-Clans!“
Naruto gefror das Blut in den Adern, hatte er noch nie einen so kalten Blick von Sasuke gesehen, aber auch das gesprochene ließ ihn erschaudern. Wirkte der Shinobi gar nicht wie ein Massenmörder auf ihn, sondern eher wie ein gebrochener junger Mann, der sich wie auf seinem letzten Weg von seinem kleinen Bruder verabschiedet hatte…

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